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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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sah zu, wie die späte Kundschaft in den fernen mondlichtweißen und rosaroten Feenlichtern umherlief. Leute stolperten herum, und wo sie gingen, sprangen unter ihren Füßen Heuschrecken aus dem Gras, schossen in den Himmel und leuchteten leicht im schwachen Licht.
    »Was zeigt sie den beiden da drinnen wohl?«, wollte Hammond wissen.
    »Jedenfalls nicht ihre Titten«, sagte der Schausteller. »Nicht für das, was sie bezahlt haben.«
    »Unzucht breitet sich auf dem Antlitz der Schöpfung aus«, sagte Pike. »So wie sie es immer tut. Man fragt sich, aus welchem Ton Gott den Menschen schuf. Ich würde sagen, er war schwach und wässrig.«
    »Sind Sie ein religiöser Mensch?«
    »Das bin ich.«
    »Schon komisch, ein religiöser Mann bei einer Wahrsagerin.«
    »Als ich ein Junge war, gab es in unserer Straße eine Wahrsagerin, die in eine Teetasse sehen und voraussagen konnte, wann es regnete. Sie hat sich nie geirrt. Nur ein dummer Mensch glaubt nicht daran, dass Gott sein Werk an seltsamen Orten verrichtet.«
    »Sie hätte auch einfach zum Himmel sehen können«, murmelte Hammond, aber Pike bekam es nicht mit.
    Die beiden alten Männer traten heraus. Sie sahen erfreut aus, und einer sagte: »Ihr werdet eine tolle Sache erleben!« Sie verschwanden in der Nacht.
    »Das glaube ich erst, wenn ich es sehe«, meinte Hammond. »Glauben Sie an Wahrsager?«, fragte er Connelly, während Roosevelt dem Mann sein Geld gab und eintrat.
    »Weiß nicht«, erwiderte Connelly.
    »Halten Sie es denn für möglich?«
    »Wie meinen Sie das?«
    »Ich meine, ob es möglich ist, dass ein Mädchen wissen kann, was Ihnen passiert?«
    Connelly dachte darüber nach. »Nein.«
    »Jesus Christus. Ich auch nicht.«
    »Was hatte ich über Blasphemie gesagt?«, fragte Pike ganz ruhig von seinem Platz im Gras.
    »Sie haben doch selbst gesagt, dass ich Jude bin. Jesus ist Ihr Gott, nicht meiner.«
    »Ich glaube, der ganze Nordosten ist der Gottlosigkeit verfallen«, erwiderte Pike. »Stadtmenschen und Yankees ist nichts heilig.«
    Die Zeit verstrich. Der Wind wurde stärker und schlief ein. Dann kam Roosevelt aus dem Wagen und sah irritiert aus.
    »Verdammt!«, sagte er zu dem Schausteller, der am Wagen lehnte. »Das war … war … Verdammt noch mal, Sie haben mich gerade um mein Geld betrogen!«
    »Von wegen betrogen«, erwiderte der Mann. »Ich habe Sie um gar nichts betrogen. Vermutlich gefällt Ihnen bloß nicht, was sie zu sagen hatte.«
    »Nichts davon hat mir gefallen!«, sagte Roosevelt. »Jedes einzelne Wort war eine Beleidigung! Kommt schon, Jungs, lasst uns gehen.« Dann stampfte er davon.
    »Was hat sie gesagt?«, rief Pike ihm hinterher.
    »Wie bitte?« Roosevelt blieb stehen.
    »Was sie gesagt hat.«
    Roosevelt schaute die Männer einen Augenblick lang an. Dann fluchte er und ging kopfschüttelnd in Richtung Rummelplatz.
    »Möglicherweise gibt es hier etwas, dem sich zuzuhören lohnt«, sagte Pike, stand auf, reichte dem Mann ein paar Münzen und trat ein.
    Als er verschwunden war, betrachtete der Schausteller Connelly und Hammond, die noch immer im Gras saßen. Er lächelte sie an. »Sagen Sie mal, wollen Sie beide noch etwas … anderes außer dem hier?«
    »Etwas anderes?«, fragte Hammond.
    »Klar. Es hat den Anschein, als wärt ihr Jungs schon eine Weile unterwegs. Vermutlich wart ihr einsam.« Er nahm noch einen Schluck aus der Flasche und wies mit dem Kopf auf den Wagen.
    »Kostet vermutlich ein wenig mehr, als sich nur die Zukunft vorhersagen zu lassen, was?«, fragte Hammond.
    »Schon möglich. Aber Ihre unmittelbare Zukunft verbessert es beträchtlich, das kann ich Ihnen sagen.«
    Hammond sah zu den Gästen auf dem Rummelplatz und lächelte. »Vermutlich kann ich meine Zukunft auch kostenlos verbessern.«
    »Du lieber Gott, da werden Sie aber nichts unter hundertfünfzig Pfund finden. Bei jeder Bauerngöre, die zu dieser Nachtzeit noch Bier trinkt, kostet sogar schon das Hinsehen etwas.«
    »Ich weiß nicht«, sagte Hammond mit einem trockenen Lächeln. »Die Nacht ist ganz schön dunkel.«
    »Gottverdammt noch mal. Machen Sie, was Sie wollen. Und was ist mit Ihnen, Großer?«, wandte er sich an Connelly.
    Connelly schüttelte den Kopf.
    »Sie sagen nicht viel, oder?«
    Connelly schüttelte erneut den Kopf.
    Der Schausteller grunzte, kicherte, trank einen Schluck und spuckte aus.
    Pike stürmte wutentbrannt aus dem Wagen. »Zeitverschwendung«, sagte er ärgerlich. »Reine Zeit- und Geldverschwendung.«
    Hammond nickte.

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