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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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sagen.«
    »Das ist schade.«
    »Gefährlich.«
    »Was?«
    »Ich glaube, dass Sie gefährlich sind.«
    »Gehört das zur Vorstellung?«
    »Nein.«
    »Das dachte ich mir. Das kann nicht gut fürs Geschäft sein.«
    »Ich gebe hier keine Vorstellung.«
    »Was ist es dann?«
    »Was immer ich Ihnen geben kann. Menschen treten ein und fragen mich nach Dingen, die sie sich wünschen. Und wenn ich kann, gebe ich sie ihnen. Was wünschen Sie sich, Connelly?«
    »Das kannst du mir nicht geben.«
    Sie nickte ernst. »Nein. Das kann ich nicht.«
    »Du musst erschöpft sein. Wenn du willst, gehe ich wieder.«
    »Sie können auf der Stelle gehen. Den ganzen Weg bis nach Hause. Aber das werden Sie nicht. Oder?«
    Connelly musterte sie sorgfältig.
    Sie seufzte wieder. »Sie sind hergekommen. Sie sind bereits gegangen. Sie sind noch immer auf dem Weg. Lehnen noch immer das Angebot ab, mich wie eine Hure zu benutzen, und bezeichnen mich noch immer als Lügnerin?«
    »Das war nie meine Absicht.«
    »Ich weiß.«
    »Und ich habe dich auch nie als Lügnerin bezeichnet.«
    »Auch das weiß ich. Lassen Sie sich davon nicht beeinflussen.« Sie blinzelte und strich das Haar zurück. »Sie wollen die Zukunft gedeutet bekommen.«
    »Will ich das?«
    »Ja.«
    »Und wie genau?«
    »Alles«, sagte sie und warf ein Kartenspiel auf den Tisch. Darauf waren unheimliche Bilder von Königen und Hunden und nackten Frauen zu sehen.
    »Was ist das?«
    »Die Zukunft«, sagte sie. Und mischte. Ihre Finger waren seltsam anmutig, während der Rest ihres Körpers ganz schlaff war.
    »Meine oder die von allen?«, fragte er.
    Sie hielt inne und sah ihn an; ihr krankes Auge brannte förmlich. »Bitten Sie mich nicht darum.«
    »Um was?«
    »Bitten Sie mich nicht darum. Befehlen Sie mir aufzuhören. Verraten Sie mir nichts. Sie können fortgehen. Diese Möglichkeit haben Sie, und Sie sollten sie bald ergreifen.«
    »Und was sollte ich deiner Meinung nach tun?«
    »Alles, nur das nicht. Gehen Sie einfach, lassen Sie die Toten ruhen und wenden sich den Lebenden zu.«
    »Wer ist tot?«
    Sibyl antwortete nicht. Connelly sah sie an und dachte nach. »Woher weißt du das?«, fragte er.
    »Dazu muss ich Sie nur ansehen. Das sieht jeder. Ich muss Sie nur ansehen, um es zu wissen.«
    Connelly senkte den Kopf. »Ich kann nicht. Ich kann nicht aufhören.«
    »Ich weiß«, sagte sie. Dann mischte sie die Karten, zog eine und warf sie auf den Tisch.
    Er betrachtete sie. Das kleine Bild zeigte die primitiv aussehende Zeichnung eines Mannes mit breitem, verzogenem Mund. Er fuhr in einem von zwei Pferden mit Scheuklappen gezogenen Wagen. Auf seinem Kopf saß eine Perlenkrone, und in der Hand hielt er ein schlichtes, vom Alter gezeichnetes Szepter. Seine leere Hand war erhoben, als würde er den Versuch unternehmen, zugleich das Gleichgewicht zu behalten und alle jene zu grüßen, an denen er vorbeifuhr. So, wie es ein König tun würde.
    »Der Wagen«, sagte Sibyl.
    »Und was bedeutet er?«
    »Der Wagen«, wiederholte sie. »Er fährt los, begierig auf Eroberungen, dazu bereit, jedes sich bietende Hindernis niederzufahren. Um zu erobern und zu töten und zu entwurzeln und alles, was sein Missfallen erregt, auf die Weise neu zu ordnen, die er für richtig hält. Aber dabei vergisst er, dass ihn nicht die eigene Kraft antreibt, sondern er von der Gnade der Tiere abhängt, die er selbst geblendet hat. Sie dürfen nicht vergessen, dass Sie mehr für Ihr Ziel brennen als für das, was Sie tun müssen, um dort hinzukommen.«
    »Und?«, fragte Connelly.
    »Was meinen Sie mit ›und‹?«
    »Ich meine, was bedeutet das?«
    Sie hielt die Karte vor ihr Gesicht, dann schloss sie die Augen und holte tief durch die Nase Luft, nahm ihren Duft in sich auf. Dann öffnete sie die Augen, das kranke zuerst, dann das klare. »Das bedeutet, dass ein langer Weg vor Ihnen liegt. Ein langer und verschlungener Weg. Den größten Teil davon werden Sie nicht gehen wollen. Sie werden es überstehen und Ihre Reise erzwingen. Aber vermutlich wird Ihnen nicht gefallen, was Sie dort finden. Oder in sich selbst.«
    Die Karten raschelten in der Dunkelheit. Eine andere landete auf dem Tisch. Sie zeigte den Nachthimmel und einen großen, schwangeren, kränklich aussehenden Mond. In seiner Mitte war ein formloses Gesicht mit schiefer Nase und feuchten Augen und Lippen. Darunter hoben zwei Hunde die Köpfe und heulten; ihre schlanken Körper sahen ausgemergelt aus, und sie wanden sich im hohlen Glanz des Mondes,

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