Mr. Shivers
sagte er. »Wenn man für diese Sache stirbt und im Stillen denkt, nun, das ist schon in Ordnung so.«
Ein Gedanke setzte sich in Connellys Kopf fest. Er versuchte zu verstehen, was er zu bedeuten hatte, aber zuerst bekam er ihn nicht zu fassen. Er hämmerte ihn so gut er konnte zurecht und fragte: »Roosevelt?«
»Ja?«
»Würden Sie für die Eisenbahn töten?«
»Was?«
»Sagen wir, eine ganze Linie steht vor dem Aus oder wird niemals gebaut, sollte ein gewisser Jemand nicht sterben. Und Sie müssten derjenige sein, der ihn erledigt. Würden Sie das tun?«
Roosevelt saugte an seiner Unterlippe und verlagerte sein Gewicht auf einen Fuß. Er runzelte die Stirn, dann leckte er sich über die Zähne und blies eine Ladung Rotz aus einem Nasenloch. »Gottverdammt noch mal, das ist aber eine verrückte Frage«, sagte er. »Es wird dunkel. Lassen Sie uns zu den anderen zurückgehen.«
Roosevelt setzte sich in Bewegung und folgte dem Pfad der Schienen, aber er würdigte sie keines Blickes mehr.
ZWÖLF
In der Nacht vor der Abfahrt ihres Zuges beschlossen sie, so viel Schlaf zu bekommen, wie es ihnen möglich war. Als der Sonnenuntergang zum Abend wurde, fiel die Temperatur. Hier und dort wurden Feuer entzündet, Leute gingen von Lager zu Lager und brachten Botschaft in Gestalt brennender Äste. Die Luft füllte sich mit beißendem Holzrauch, und die Leute legten sich Lumpen und Decken um die Schultern, bis sie wandelnden Abfallbergen glichen, die in der rauchigen Nacht aneinander vorbeischlurften.
Connelly ließ Pike und die anderen zurück und ging, bis die Luft klar war. Er drehte sich um und sah, dass das Tal mit flackernden Funken getüpfelt war. Er lauschte dem Husten und den Rufen, sah, wie sich undeutliche Schatten in den Verschlägen abmühten. Es war eine Stadt der Flüchtlinge, aber wovor waren sie geflohen? Ihm fiel keine Antwort ein, außer vielleicht vor der Welt selbst.
Er zog die Feldflasche aus der Tasche und trank, um seine brennende Kehle zu kühlen. Da krächzte eine Stimme in der Nähe: »Was trinken Sie da?«
Er zuckte zusammen und suchte nach dem Sprecher. Keine zehn Fuß von ihm entfernt lag ein Mann auf dem Boden, die Hände hinter dem Kopf verschränkt.
»Nur Wasser«, sagte Connelly.
Der Mann verzog das Gesicht. »Taugt nichts. Ohne Schnaps im Leib kann ich nicht schlafen. Ich muss meinen Kopf eine Weile marinieren, bevor ich die Augen zumachen kann. Sie sind dem Qualm entflohen?«
»Ja.«
»Die kalten Nächte sind schuld daran. Und das grüne Holz.« Er setzte sich auf und grinste Connelly an. Seine Augen waren rot wie Pflaumen, und ein feines Netz geplatzter Adern umgab seine Nase und zeichnete sich auf seinen Wangen ab. Connelly sah, dass er nur eine Hand hatte und einer seiner Füße krumm war. Der Krüppel streckte seine gute Hand aus und sagte: »Ich heiße Korsher. Ich würde Ihnen ja die Rechte anbieten, aber ich weiß nicht, wo sie ist.«
Connelly schüttelte ihm die Hand.
»Wo soll’s denn hingehen?«, fragte der Mann.
»New Mexico.«
»Teufel noch mal. Wer will da nicht hin? Das oder Kalifornien, wie es scheint.«
»Haben Sie ein Ziel?«
»Mein Sohn, ich tue mein Bestes, mit der größtmöglichen Eile nirgendwohin zu gehen. Und das mache ich im Augenblick.«
Connelly trat einen Schritt näher heran. »Wie haben Sie …«
»Die Hand verloren?«
»Nun … ja.«
»Hat ein Zug abgerissen. Der hat auch meinen Fuß gebrochen. War schon eine üble Sache.«
»Das wette ich.«
»Ist lange her.«
»Wie kommen Sie herum?«, fragte Connelly.
»Langsam. Aber das hier hilft«, sagte er und tätschelte ein Stück Eschenholz, aus dem er eine Krücke gemacht hatte. »Es stört mich nicht besonders. Wie heißen Sie?«
»Connelly.«
»Hm. Kommen Sie. Setzen Sie sich neben mich.«
Connelly tat ihm den Gefallen. Korsher griff gedankenverloren in die Tasche und holte eine kleine Keramikflasche hervor, dann bot er sie Connelly an.
»Probieren Sie mal«, sagte er.
Connelly schraubte den Verschluss ab und schnupperte zuerst. Es roch stark genug, um seine Augen tränen zu lassen. Vermutlich Holzalkohol. Er tat so, als würde er einen Schluck nehmen, und hustete.
»Das ist stärker als Wasser«, sagte Korsher, dann lachte er betrunken. »Macht den Boden viel weicher. Macht die Nacht stiller und das Denken leichter.«
»In der Tat«, meinte Connelly und gab die Flasche zurück.
Korsher legte sich wieder hin und betrachtete den Himmel. Er öffnete die Flasche, trank und
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