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Mr. Shivers

Mr. Shivers

Titel: Mr. Shivers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Jackson Bennett
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seufzte; die Luft pfiff zwischen seinen Zähnen hindurch. »Ach ja. Es ist schön, aus dem Lager heraus zu sein. Das ist gut, nicht wahr?«
    »Schätze schon.«
    »Sie schätzen? Das ist alles?«
    Connelly zuckte nur mit den Schultern.
    »Nein. Nein, ich glaube, mir geht es im Augenblick richtig gut«, sagte Korsher. »Das muss man gelegentlich sagen. Ich meine, klar, ich habe Hunger, und ich habe nicht die geringste Ahnung, wo ich eigentlich bin, aber sehen Sie doch nur.« Er zeigte in den Himmel.
    Connelly sah hin. Der Mond stand hoch am Himmel, leuchtete in einem schlammigen Gelb. Dahinter erstreckten sich Netze aus Sternen, fielen als Schleier zum kaum deutlich erkennbaren Horizont.
    »Das da ist die Freiheit«, sagte Korsher. »So etwas kann ich in der Stadt nicht sehen. Zu hell.«
    »Ja.«
    Sie saßen schweigend da und lauschten den Zikaden und Grillen, die im Gebüsch sangen. Korsher schmatzte und fuhr fort: »Mein Daddy sagte mal, der Mond sei ein Knochen.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Sieht doch aus wie ein Knochen, oder?«
    »Ich schätze schon. Ich wüsste aber nicht, was für ein Knochen.«
    »Zum Teufel, ich auch nicht, ich bin schließlich kein Arzt. Mein Pa sagte, es wäre ein Knochen von dem, wer auch immer diese Erde hier gemacht hat. Sagte, er hätte den ganzen Tag lang Holz gehackt und Steine geklopft, und als er fertig war, wäre er auf der Stelle tot umgefallen.«
    »Aber wie ist sein Knochen dann da raufgekommen?«
    »Der Teufel«, sagte Korsher schlicht.
    »Der Teufel?«
    »Ja. Der Teufel kam vorbei, hob ihn lachend auf und warf ihn hoch. Jetzt hängt er da, wo ihn alle sehen können.« Er nahm noch einen Schluck aus seiner Flasche und verzog das Gesicht, trank dann erneut. »Wie ein Kind, das Steine auf ein leeres Haus wirft, jawohl, Sir. Glauben Sie an den Teufel?«
    »Ich weiß nicht. Vielleicht.«
    »Ich schon. Mit Sicherheit sogar. Mein Daddy hat die ganze Zeit von ihm gesprochen. Man dürfe nicht mit ihm aneinandergeraten, auf gar keinen Fall. Er sagte, die Welt sei übersät mit den Knochen von Männern, die versuchten, den Teufel zu erwischen. Verstehen Sie, die sich an ihn anschleichen und ihn töten wollten. Aber der Teufel war zu schlau für sie. Er tat ganz unschuldig und führte sie in die Falle. Kriegte sie am Ende. Er sagte, das wäre seit aller Ewigkeit der Lauf der Dinge.«
    »Oh. Das ist hart.«
    »Er sagte, als Gott schlief, kam der Teufel hier runter und stellte die Welt um«, lallte Korsher. »Dann machte Gott weiter und hauchte dem Menschen Geist ein, schickte uns auf den Weg, ohne es besser zu wissen. Wollte uns die Welt geben, gab uns stattdessen aber bloß Mühsal und Entbehrungen, und der Teufel kicherte. Glauben Sie das?«
    »Wäre schon möglich.«
    Korsher schwieg eine Weile. Dann sagte er: »Wissen Sie was?«
    »Nein. Was denn?«
    »Ich glaube, ich habe ihn letztens gesehen.«
    »Wen haben Sie gesehen?«
    »Den Teufel.«
    Connelly wartete. »Tatsächlich?«, fragte er dann.
    »Ja«, kam die leise Antwort. »Ich glaube, das habe ich.«
    »Wie kommen Sie darauf?«
    »Weil er so aussah, wie mein Daddy immer gesagt hat.«
    »Und was hat Ihr Daddy gesagt?«
    »Er wäre ein großer, hochgewachsener Mann mit einem großen schwarzen Umhang. So groß, dass er durch ein Kornfeld gehen kann und seine Knöchel keine einzige Ähre berühren. Er hätte Augen wie Sterne, und jeder Zentimeter von ihm ist voller Narben, weil ihn die Engel blutig peitschten.«
    Connelly beugte sich vor. »Was?«
    »Hm?«
    »Was sagten Sie da? Gerade eben? Über die Narben?«
    »Ach das. Ich sagte, der Teufel hätte überall dort Narben, wo ihn die Engel schlugen.«
    »Was … was hat er gemacht?«
    »Wann? An jenem Abend?«
    »Ja.«
    »Ich weiß nicht … er ging einfach vorbei. Ich sah ihn durch die Stadt gehen, in Richtung Güterbahnhof. Ich glaubte, ich hätte den Verstand verloren. Beinahe … nun, ich hätte mich beinahe vollgepisst. Die Leute gingen ihm aus dem Weg wie bei Moses und dem Meer. Es war, als würde seine bloße Anwesenheit sie die Flucht ergreifen lassen wollen.« Seine Stimme wurde leiser. »Ich konnte nicht weg. Wegen meinem Bein. Also blieb ich sitzen, und er ging nur ein paar Zoll von mir entfernt vorbei, und ich schaute in sein Gesicht und wünschte, ich hätte es nie getan. Niemals. Danach wollte ich nicht mehr im Lager schlafen. Er würde wissen, wo ich bin, wissen Sie, und kommen und mich holen.«
    Connelly schwirrte der Kopf. Er rang um Selbstbeherrschung. »Und davor? Der

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