Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
Vom Netzwerk:
ein Vermögen. Denk doch mal an das viele Geld!«
    »Nichts zerstört den Charakter mehr als Geld«, entgegnete der Major aufgebracht. »Und vergiss nicht: Ferguson ist nur deshalb so nett, weil er meine Gewehre kaufen will.«
    »Das stimmt.« Die Falten auf Rogers Stirn verrieten, dass er gründlich nachdachte. »Hör zu, er hat gesagt, dass er uns im Januar zur Fasanenjagd nach Schottland einladen möchte. Du musst mir unbedingt versprechen, dass du ihm die Gewehre bis dahin nicht verkaufst.«
    »Ich dachte, du kannst es gar nicht erwarten, sie loszuwerden.«
    »Ja, schon.« Roger hatte sich bereits zum Gehen gewandt. »Aber sobald du sie verkauft hast, lässt Ferguson uns fallen wie eine heiße Kartoffel. Wir müssen ihn hinhalten, so lange es geht.«
    »Und was ist mit Marjorie und Jemima?«, fragte der Major, während sein Sohn sich zum Haus hin entfernte.
    »Wenn es unbedingt sein muss, reichen wir Klage beim Nachlassgericht ein, um die Sache in die Länge zu ziehen«, rief Roger und winkte zum Abschied. »Schließlich weiß jeder, dass Onkel Berties Flinte dir zugedacht war.« Mit dieser bemerkenswerten Aussage verschwand er, und der Major, den die Verwunderung schwindlig gemacht hatte, hielt es für das Beste, seine Gewehre zusammenzupacken und nach Hause zu gehen.

[home]
    Sechzehntes Kapitel
    U rsprünglich hatte er Mrs. Ali ein Dutzend langstielige Rosen mitbringen wollen – in Seidenpapier verpackt, mit einer Satinschleife geschmückt und lässig in der Armbeuge getragen. Aber jetzt, kurz bevor er Grace und sie von Graces Cottage abholen sollte, erschienen ihm die Rosen unpassend, und er beschloss, jeder der beiden Damen eine einzelne apricotfarbene Rose mit langem, bräunlichem Stiel zu schenken.
    Er war so schnell er konnte zu seinem Auto gelaufen, um nicht von Alice Pierce entdeckt zu werden, die nach der Demonstration bei der Jagd begonnen hatte, im Rahmen einer gegen St. James Homes gerichteten Unterschriftenaktion von Haus zu Haus zu gehen, und bei jedem öffentlichen Erscheinen von Lord Dagenham oder Ferguson Protestkundgebungen organisierte. Doch ihre Bemühungen wollten nicht recht fruchten. Der Pfarrer, von dem bekannt geworden war, dass er wegen der längst überfälligen Restaurierung des Kirchturms plötzlich einen Architekten konsultierte, hatte mit dem Hinweis, es sei die Pflicht der Kirche, allen Seiten in dem Konflikt Liebe und geistlichen Beistand zu schenken, eine Predigt verweigert. Viele Leute, darunter der Major, hatten zwar die verteilten Plakate mit der Forderung »Rettet unser Dorf« gern entgegengenommen, aber nur etwa die Hälfte fand es angebracht, sie auch aufzuhängen. Der Major klebte es auf das Seitenfenster von Rose Lodge, wo es seine Botschaft auf die Garage statt auf die Straße hinausschrie. Alice stürmte mit ihrem Fähnlein von Mitstreitern – größtenteils Ortsfremde mit einer Vorliebe für selbstgehäkelte Mäntel – durch die Gegend und schien nicht zu bemerken, dass sie, obzwar man sie im Dorf grundsätzlich unterstützte, von jedem, der zum Ball des Golfclubs gehen wollte, geflissentlich gemieden wurde.
    Der Major rückte seine Fliege zurecht, zog die Smokingjacke ein letztes Mal glatt und klopfte an das dürftige Sperrholz von Graces pseudo-georgianischer Haustür. Mrs. Ali öffnete ihm. Das Licht fiel um sie herum auf die Eingangsstufe, während ihr Gesicht zum Teil im Schatten lag. Sie lächelte, und er glaubte den Glanz von Lippenstift auf ihrem Mund zu sehen.
    »Kommen Sie rein, Major«, sagte sie und lief atemlos ins Wohnzimmer zurück. Der hintere Ausschnitt ihres Abendkleids ließ einen Teil des Rückens frei. Unter der locker umgebundenen Chiffonstola zeichneten sich deutlich ihre Schulterblätter ab, und zwischen dem dunklen Stoff des Kleids und dem tief im Nacken geschlungenen Dutt schimmerte bronzefarbene Haut. Im Wohnzimmer vollführte sie auf dem Kaminvorleger eine halbe Pirouette; der Saum des Kleids bauschte sich um ihre Knöchel und schwang an den Schuhspitzen aus. Es war ein dunkelblaues Kleid aus Seidensamt. Einen Teil des tiefen Dekolletés verbarg der luftige Chiffon, doch einige Zentimeter über dem Ausschnitt waren Mrs. Alis Schlüsselbeine wundervoll zu sehen. Der Stoff folgte der Wölbung des Busens und wurde in der Taille von einer funkelnden klassischen Diamantbrosche locker gerafft.
    »Ist Grace noch nicht fertig?«, fragte er, zu unsicher, um sich zu ihrem Kleid zu äußern, aber nicht bereit, den Blick davon zu

Weitere Kostenlose Bücher