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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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echter Niedergeschlagenheit, und der Major, der Dagenhams Profil betrachtete, sah, dass der Lord die Kiefermuskeln anspannte und sein Gesicht einen traurigen Ausdruck annahm. »Mit den Agrarsubventionen können wir die Anwesen nicht halten, ohne Genehmigung dürfen wir nicht einmal unsere eigenen Bäume fällen, die Treibjagd ist verboten, und die normale Jagd wird, wie Sie gerade gesehen haben, von allen Seiten angegriffen. Wir sind gezwungen, Teeläden oder Themenparks zu eröffnen, Wochenendtouren für Tagesausflügler anzubieten oder unsere Wiesen für Rockfestivals zur Verfügung zu stellen. Am Ende bleiben klebrige Stieleisverpackungen und Parkplätze auf den Weiden.«
    »Was ist mit dem National Trust?«, fragte der Major.
    »Ja, die standen immer parat, nicht wahr? Ständig auf der Lauer, haben nur darauf gewartet, einem das Haus wegzunehmen und die Erben mit einer Gesindewohnung im Dachgeschoss abzuspeisen«, sagte Dagenham mit Groll in der Stimme. »Aber jetzt wollen sie zusätzlich auch noch Bargeld!« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Major, ich sage Ihnen, wir befinden uns in den letzten Jahrzehnten des Zermürbungskriegs, den der Fiskus angezettelt hat. Nicht mehr lang, und die großen Landadelsfamilien sind ausgelöscht – ausgestorben wie der Dodo.«
    »Das wird Großbritannien um einiges ärmer machen«, sagte der Major.
    »Sie sind ein sehr verständiger Mann, Major.« Dagenham klopfte ihm auf die Schulter. Er wirkte schon wieder ein bisschen beschwingter. »Sie können sich nicht vorstellen, mit wie wenigen ich über die Sache reden kann.« Er stützte sich, die Arme weit gespreizt, den Blick nach unten gerichtet, mit den Händen auf den Rand des Modells wie Churchill auf eine Kriegskarte von Europa. »Sie sind wahrscheinlich der Einzige, der mir helfen kann, dem Dorf das alles zu erklären.«
    »Ich verstehe die Problematik, aber ich bezweifle, dass ich erklären kann, wie dieses Luxus-Bauprojekt das, was Sie und ich lieben, retten sollte«, entgegnete der Major. Er ließ den Blick noch einmal über das Modell schweifen und verzog vor Verachtung unwillkürlich den Mund. »Würden wir die Leute nicht förmlich zu der Behauptung zwingen, dass wir es hier mit ziemlich genau derselben Unverfrorenheit einiger Neureicher zu tun haben, die soeben im Begriff sind, England zu zerstören?« Er überlegte, ob er sich höflich genug ausgedrückt hatte.
    »Aber das ist ja gerade das Schöne an meinem Plan«, rief Dagenham. »Dieses Dorf wird nur dem alten Adel zur Verfügung stehen. Ich baue einen Zufluchtsort für all die Landadelsfamilien, die von den Steuerbehörden, Politikern und den EU -Bürokraten von ihren Anwesen vertrieben werden!«
    »Die sollen alle nach Edgecombe St. Mary ziehen?«, fragte der Major. »Warum das denn?«
    »Wohin sollen sie denn sonst? Man verjagt sie von ihren Anwesen, und ich biete ihnen hier ein Fleckchen Land, das sie ihr eigen nennen dürfen. Ein Haus und ein bisschen Grund und andere Familien, die ebenfalls zur Instandhaltung beitragen, Nachbarn mit denselben Werten.« Er deutete auf eine große neue Scheune neben einer der Farmen innerhalb der Siedlung. »Es wird genug Leute geben, um hier eine ordentliche Jagdhundestation und Gemeinschaftsställe zu unterhalten. Und dort drüben, hinter der bereits existierenden Schule, gründen wir eine kleine Berufsschule, in der wir den Einheimischen nützliche Fertigkeiten wie Mauern und Verputzen, Pferdehaltung, Heckenschnitt, Butler- und Verwaltungstätigkeiten beibringen. Wir bilden sie in sämtlichen Dienstleistungen aus und können dann auf einen großen Vorrat an Arbeitskräften zurückgreifen. Sehen Sie, was ich meine?« Er rückte einen Baum neben der Dorfwiese gerade. »Wir werden genau die Geschäfte haben, die wir im Dorf brauchen, und wir gründen ein Architekturkomitee, das alle Außenbereiche betreut. Wir räumen auf mit diesen grauenhaften Ladenfassaden im Mini-Mart-Stil und stellen im Pub einen richtigen Küchenchef ein. Vielleicht bekommen wir irgendwann mal sogar einen Michelin-Stern!«
    »Und was ist mit den Leuten, die bisher im Dorf gewohnt haben?«, fragte der Major.
    »Die behalten wir natürlich. Wir wollen ja gerade das Authentische.«
    »Und was wird aus Mrs. Ali und ihrem Laden?« Das Gesicht des Majors fühlte sich heiß an, als er die Frage stellte. Er starrte unverwandt auf das Modell, um seine Gefühle zu verbergen.
    Dagenham warf ihm einen nachdenklichen Blick zu. Der Major versuchte

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