Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
Antwort gab: »Das natürlich nicht, aber der Clubsekretär meinte, wir hätten da wieder ein George-Tobin-Problem.«
Dem Major wurde siedend heiß; als er es wagte, einen raschen Blick zur Bar zu werfen, hatten sich die beiden Männer abgewandt, und er konnte nicht mit Sicherheit sagen, von wem die Rede gewesen war. Er blickte sich nach etwaigen anderen Ungebührlichkeiten um, die Kritik hätten provozieren können, und sah den alten Mr. Percy, seine Dame in den steifen Armen haltend, vorbeischweben. Ihr trägerloses Kleid war so stark verrutscht, dass ihr üppiger Busen oberhalb des hochgezogenen Reißverschlusses herauszuquellen drohte, während am Rücken zwei fischbeinverstärkte Ausbuchtungen an Flügelansätze erinnerten. Der Major seufzte erleichtert auf und überlegte, ob es für den Club nicht von Vorteil wäre, die Regularien etwas strenger zu fassen.
Die Sache mit George Tobin, der eine schwarze Schauspielerin aus einer beliebten Fernsehserie geheiratet hatte, war ihm immer noch unangenehm, obwohl es damals angeblich nur um die Ungestörtheit der Clubmitglieder gegangen war. Alle hatten darin übereingestimmt, dass Tobin die Grenzen überschritten hatte, weil er den Club durch die Ehe mit einem Fernsehstar der potenziellen Aufmerksamkeit irgendwelcher Paparazzi und einer nach Prominenten gierenden Öffentlichkeit preisgab.
Seiner überaus aufgebrachten Frau hatte der Major versichert, dass die Mitglieder des Aufnahmekomitees allen Vermutungen, in Wahrheit gehe es um die Hautfarbe, energisch entgegengetreten waren. Immerhin hatte Tobins Familie schon seit mehreren Generationen Clubmitglieder gestellt, die durchaus Ansehen genossen, obwohl sie nicht nur katholisch, sondern auch irischstämmig waren. Tobin hatte sich bereit gezeigt, stillschweigend auszutreten, allerdings unter der Voraussetzung, dass sein Sohn aus erster Ehe eine eigene Mitgliedschaft erhielt. Die Sache war mit äußerster Diskretion geregelt worden. Nancy aber hatte sich geweigert, den Club jemals wieder zu betreten, und dem Major war ein ungutes Gefühl geblieben.
Die Musik mündete in ein grandioses Crescendo, und der Major schob alle Gedanken an den Club beiseite und konzentrierte sich wieder auf Mrs. Ali. Sie wirkte ein bisschen verwundert, so als hätte sich seine Nachdenklichkeit in seinem Gesicht gespiegelt. Er verfluchte sich für jede Sekunde des Tanzes, die er vergeudet hatte, lächelte Mrs. Ali strahlend an und drehte sich so schwungvoll mit ihr, dass sie fast vom Boden abhoben.
Als der Walzer zu Ende war, kündigten ein Trommelwirbel und das ekstatische Blinken und anschließende Verlöschen der Kronleuchter den Unterhaltungsteil an. In der plötzlichen Dunkelheit ertönten schrilles Gekreisch, halblaut gemurmelte Flüche und, als die Leute zu ihren Stühlen eilten, das leise Klirren von zerbrechendem Glas. Der alte Mr. Percy fuhr fort, seine Partnerin herumzuwirbeln, und musste von einem Kellner zum Verlassen der Tanzfläche aufgefordert werden. Der Major gab sich größte Mühe, Mrs. Ali ohne Zwischenfälle an den Tisch zurückzugeleiten.
Nach einem lauten Beckenschlag aus der Kapelle ertönten blecherne, schrille Musik vom Band sowie eine Zugpfeife. Ein Diaprojektor schnitt seinen Lichtstrahl durch die Dunkelheit und warf sepiabraune Bilder von Indien auf eine weiße Leinwand. Die Dias flackerten und folgten so schnell aufeinander, dass man die dargestellten Szenen kaum erkennen konnte. Der Major verspürte eine schreckliche, immer stärker werdende Vertrautheit, bis ihm das kurz aufscheinende Bild von ihm selbst als Kind auf einem kleinen, bemalten Elefanten bewies, dass Roger tatsächlich die Blechschachtel im Speicher geplündert und die Familienfotos öffentlich zur Schau gestellt hatte.
Vereinzelter Applaus übertönte das leise Geklingel von Fußglöckchen; als das Licht wieder angeschaltet wurde, sah man in grellgrünem Scheinwerferlicht die Tänzerinnen, die sich, einen Zug imitierend, synchron bewegten und dabei mit diversen Requisiten wie Körben, Schachteln sowie einigen Plüschhühnern winkten. Roger saß auf einer Truhe, rauchte eine absurd stark gebogene Pfeife und schmökerte in einer Zeitung, augenscheinlich ohne etwas von dem bunten Treiben hinter ihm mitzubekommen. Am einen Ende des Ensembles vollführte Amina fließende Bewegungen zu irgendeinem weiten, fernen Horizont hin. Die Musik, die Zugpfeife und die flimmernde Leinwand machten das Ganze weit wirkungsvoller, als der Major sich vorgestellt
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