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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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Rückweg von der Bar legte der Major in einer ruhigen Ecke hinter einem Palmfarn eine Pause ein und nahm sich einige Sekunden Zeit, um Mrs. Ali zu beobachten, die ganz allein dasaß und an dem riesigen Tisch viel kleiner wirkte als sonst. Ihr Gesicht war völlig ausdruckslos, ihr Blick auf die Tänzer gerichtet. Der Major fand, dass sie in dem warmen Raum weniger selbstbewusst wirkte als im Regen auf einer windumtosten Promenade. Und er musste zugeben, dass – schon oft war es ihm aufgefallen – Menschen allein und unbeachtet meist weniger attraktiv wirkten als in Gesellschaft von bewundernden Freunden. Er sah noch ein wenig genauer hin, und plötzlich erschien auf Mrs. Alis Gesicht ein großes Lächeln, das ihre ganze Schönheit zurückbrachte. Alec Shaw hatte sich zu ihr hinuntergebeugt und sprach mit ihr, und zum Erstaunen des Majors stand sie auf und folgte der Aufforderung, einen ziemlich schnellen Foxtrott mit ihm zu tanzen. In dem Moment, als Alec ihre Hand ergriff und ihr den Arm um die schlanke Taille schlang, klopfte dem Major jemand auf die Schulter und nahm seine Aufmerksamkeit in Anspruch.
    »Na, amüsieren Sie sich, Major?« Ferguson hielt ein Glas Scotch in der Hand und kaute auf einer unangezündeten Zigarre herum. »Ich wollte gerade rausgehen und rauchen.«
    »Ja, sehr, danke der Nachfrage«, antwortete der Major, während er versuchte, Alec im Gewühl nicht aus dem Blick zu verlieren, der Mrs. Ali mit übertrieben vielen Drehungen durch den Raum wirbelte.
    »Freut mich, dass Ihre Schwägerin kommen konnte.«
    »Entschuldigen Sie – was, bitte?«, fragte der Major, den Blick nach wie vor auf die Tanzfläche gerichtet. Mrs. Ali war genauso leichtfüßig, wie er es sich erträumt hatte, und ihr Kleid umfloss ihre Knöchel wie blaue Wellen.
    »Sie hat mir erzählt, dass sie eine Kreuzfahrt machen will, sobald sie das Geld hat.«
    »Welches Geld?«, fragte der Major. Er war hin- und hergerissen zwischen dem plötzlichen Drang, Alec zu erdrosseln, und einer leisen Stimme, die ihm sagte, er solle auf Ferguson achten. Mit großer Mühe wandte er den Blick von der Tanzfläche ab.
    »Nur keine Sorge.« Auch Ferguson sah jetzt zu, wie Mrs. Ali gleich einer leuchtend blauen Flamme durch die tanzende Menge wirbelte. »Ich bin zu einem fairen Deal bereit, wenn Sie auch fair sind.« Die Zigarre in seinem Mund wippte auf und ab. Ferguson wandte sich zu ihm um und fügte hinzu: »Wie ich vorhin zu Sterling sagte – klar könnte ich der Witwe schon jetzt einen erstklassigen Preis für ihr Gewehr zahlen und es mir hinterher aus Pettigrews Versteck holen, aber warum sollte ich? Ich respektiere den Major viel zu sehr als Gentleman und feinen Kerl, als dass ich ihn übers Ohr hauen würde.« Er lächelte, aber sein Lächeln reichte nicht bis zu den Augen.
    »Sie haben sie zum Ball eingeladen«, sagte der Major.
    »Das war ja nun wirklich das mindeste, alter Knabe!« Ferguson versetzte ihm einen weiteren Schlag auf die Schulter. »Schließlich soll die gesamte Familie Pettigrew dabei sein, wenn Sie diese Auszeichnung bekommen.«
    »Ja, natürlich.« Dem Major wurde übel.
    »Sie sollten die Gewehre nach der Show schnell wieder an sich nehmen«, fügte Ferguson im Weggehen hinzu. »Sie war nämlich sehr interessiert, als sie erfuhr, dass sie hier sind.«
    Die unausgesprochene Drohung hatte den Major so verstört, dass er sich erst einmal in den Schatten des Türvorhangs zurückzog, um die Fassung zurückzugewinnen. Er schaffte es gerade noch, dem Blick Daisy Greens zu entwischen, die in diesem Moment mit Alma vorbeischlenderte. Auch sie hatte bemerkt, dass Alec und Mrs. Ali miteinander tanzten, denn sie blieb stehen und griff nach Almas Arm.
    »Schau mal, sie hat sich deinen Mann geangelt.«
    »Ach, sieht sie nicht wunderschön aus?«, entgegnete Alma. »Ich habe Alec gesagt, er soll dafür sorgen, dass sie nicht ausgeschlossen wird.«
    »Ich meine ja auch nur, wenn Grace ein bisschen mehr Dekolleté zeigen würde, hätte er sich vielleicht nicht von diesen doch etwas exotischeren Reizen verführen lassen.«
    »Meinst du Alec?«, fragte Alma.
    »Nein, natürlich nicht Alec, Dummerchen!«
    »Ich glaube, Grace machte sich Sorgen wegen ihrer Halsfalten«, sagte Alma und strich mit der Hand am eigenen Hals entlang, der von einem violetten Satintuch mit Fransen und klickenden orangeroten Glaskügelchen umhüllt war. Sie trug eine hochgeknöpfte viktorianische Bluse und einen zerknitterten bauschigen Samtrock, der schon

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