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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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sich kurz zuvor geweigert hatte, meinen Antrag anzunehmen.«
    »Du hast um ihre Hand angehalten?«
    »Jawohl«, sagte Roger. »Leider war ich bereits der zweite Bewerber, und meine Bedingungen erwiesen sich als weniger günstig.« Er schob die Tasse von sich und ließ resigniert das Kinn auf die Brust sinken. »Sie heiratet jetzt nämlich Ferguson.«
    Ziemlich fassungslos hörte der Major zu, als Roger erzählte, dass Gertrude in Schottland auf ganzer Linie gesiegt hatte. Sie hatte dort offenbar das Kommando übernommen, sich bei Fergusons Gutsverwalter eingeschmeichelt und ihn dazu überredet, einem Großteil der sinnvollen Modernisierungsarbeiten, die Ferguson geplant hatte, zuzustimmen. Obendrein hatte sie sogar den leitenden Wildhüter dazu gebracht, sich mit dem Wiederauffüllen des Birkhuhnbestands einverstanden zu erklären. Über die Frau des Wildhüters hatte sie innerhalb kürzester Zeit eine neue Köchin aufgetrieben, und gemeinsam hatten die zwei so üppige Festmahle und Mittagessen aufgetischt, wie sie in Loch Brae Castle seit Jahren nicht erlebt worden waren.
    »Am zweiten Jagdtag erschien Ferguson auf Gertrudes Rat hin in einem der urigsten alten Tweedanzüge, die ich je gesehen habe, und da brach ein alter Jagdführer in Tränen aus und musste mit Scotch aus dem Flachmann und einem ordentlichen Schlag auf den Rücken beruhigt werden«, fuhr Roger fort. »Den Anzug hatte Gertrude vom Dachboden geholt. Offenbar hatte ihn der siebenunddreißigste Baronet immer bei Jagdausflügen mit dem König auf Balmoral getragen. Der Alte sagte zu Ferguson, er würde dem früheren Herrn zum Verwechseln ähneln – da hättet ihr mal Fergusons Gesicht sehen sollen!«
    »Wenn seine Pläne für eine Jagdmode-Kollektion damit gestorben sind«, entgegnete der Major, »sind wir Gertrude zu großem Dank verpflichtet.«
    »Wahrscheinlich lag es nur an ihrer beeindruckenden Tüchtigkeit«, sagte Roger kläglich, »aber sie wurde im Lauf der Woche immer hübscher. Es war geradezu unheimlich.«
    »Und Mr. Ferguson?«, fragte Jasmina. »Fand er sie auch hübsch?«
    »Ich glaube, er war total verblüfft. Sie ist ja nicht mal groß oder so, aber sie stapfte in Stiefeln und Regenmantel durch die Gegend, als hätte sie schon immer dort gelebt, und sie hat in einer Woche mehr zuwege gebracht, als er den anderen in einem ganzen Jahr hatte abverlangen können. Es war wirklich witzig mitzuerleben, wie er zusammenfuhr, als plötzlich ein alter Angestellter im Schloss, der sich geweigert hatte, je ein Wort mit ihm zu reden, auf ihn zukam und sich für die ›rothaarige Dame‹ bedankte. Nach ein paar Tagen begleitete er sie immer, damit sie ihn seinen eigenen Leuten noch einmal vorstellen konnte.«
    »Das war genau die richtige Umgebung für sie«, sagte der Major. »Genau der Ort, wo sie hingehört.« Er sah sie förmlich vor sich, wie sie bis zu den Schenkeln im Heidekraut versank. Ihre Blässe musste perfekt zum dunstig-grauen Licht des Nordens gepasst haben, im ständigen Nebel hatte sich ihr Haar bestimmt gewellt, und ihre etwas stämmige Figur war wie geschaffen für die flache, schroffe Landschaft.
    »Ich hab’s echt verbockt«, gab Roger zu. »Ich hätte mich sofort reinhängen müssen, aber sie war so vernarrt in mich, dass ich dachte, ich hätte alle Zeit der Welt.«
    »Und da hat sie sich in einen anderen verliebt«, sagte der Major. »Ich habe dir doch gesagt, dass Liebe keine Verhandlungssache ist.«
    »Ich glaube gar nicht, dass sie ineinander verliebt sind, und genau das tut weh«, entgegnete Roger. »Es ist eine Art Übereinkunft. Sie kann auf dem Land leben und sich um das Anwesen kümmern, was ihr das Liebste überhaupt ist, und er kassiert die Anerkennung, die er gesucht hat, und wird sich, wenn er in der Stadt ist, bestimmt keinen Zwang antun, solange es diskret zu handhaben ist.« Er seufzte. »Eigentlich genial.«
    »Aber wenn Sie sie geliebt hätten«, sagte Jasmina, »wäre das die bessere Lösung gewesen.«
    »Leute wie wir können mit Leuten wie ihm nicht mithalten«, widersprach Roger verbittert. »Sie haben das ganze Geld und den richtigen Namen. Auch wenn ich ihr meine Liebe gestanden hätte, wäre nichts gewonnen gewesen, nicht einmal, wenn es gestimmt hätte.«
    »Und was ist nun mit den Gewehren?«, wollte der Major wissen.
    »Ich habe Ferguson gesagt, dass er sie nicht haben kann. Schließlich hat er das Mädchen abgekriegt. Den Edgecombe-Deal hat er abgeblasen, als hätte es sich um eine

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