Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
Vorhangbestellung gehandelt. Er hat alles genommen. Ich wäre schön blöd, wenn ich ihm auch noch das letzte bisschen von mir geben würde. Wenn Jemima das Gewehr ihres Vaters verkaufen will, soll sie es selbst machen.«
»Er baut also nicht in Edgecombe?«, fragte Jasmina. »Aber die Ehe mit Gertrude würde ihm das Projekt doch erleichtern?«
»Nachdem er jetzt beschlossen hat, Gertrude zu heiraten, möchte er lieber viele Erben, die hier im Herrenhaus als Lords leben.« Roger schniefte. »Plötzlich ist das alles hier heiliger Boden, der geschützt werden muss, koste es, was es wolle.«
»Aber er hat doch schon einen Titel«, wandte Jasmina ein.
»Ein schottischer Titel ist eben nicht dasselbe«, erklärte der Major.
»Vor allem, wenn man ihn im Internet gekauft hat«, fügte Roger hinzu.
»Ich kann es kaum glauben«, sagte der Major. »Das ist eine wunderbare Neuigkeit. Seit das Projekt publik wurde, stand ich vor der Entscheidung, auf welche Seite ich mich schlagen sollte, und habe mich, ehrlich gesagt, nicht gerade darauf gefreut.«
»Das war doch nicht schwer zu entscheiden«, sagte Jasmina. »Ich weiß, wie sehr du dieses Dorf liebst.«
»Natürlich hätte man sich für die richtige Seite entscheiden müssen«, gab der Major zu, aber er war froh, dass es ihm erspart blieb.
»Freut mich, dass du glücklich bist«, sagte Roger. »Aber was ist mit mir? Ich sollte für das Einfädeln dieses Deals einen dicken fetten Bonus bekommen, und jetzt kann ich mir nicht mal mehr sicher sein, dass ich meinen Job behalte.«
»Aber Sie sind nach Edgecombe St. Mary zurückgekommen«, sagte Jasmina. »Warum eigentlich?«
»Ja, stimmt.« Roger ließ den Blick über die Küche wandern, als wäre er selbst überrascht. »Es ging mir so schlecht, da wollte ich einfach nach Hause, und offenbar – na ja, irgendwie ist das hier immer noch mein Zuhause.« Er wirkte benommen wie ein verirrtes Kind, das man ganz hinten im Garten unter einem Strauch entdeckt hat.
Der Major sah Jasmina an, und sie ergriff seine Hand und nickte.
»Mein lieber Roger«, sagte der Major, »das hier wird immer dein Zuhause sein.« Einige stille Sekunden lang spiegelten sich in Rogers Gesicht wechselnde Gefühle wider. Dann begann er zu lächeln.
»Du weißt gar nicht, wie viel es mir bedeutet, dass du das sagst, Dad.« Er stand auf, ging um den Tisch herum und erdrückte seinen Vater fast mit einer stürmischen Umarmung.
»Aber das ist doch selbstverständlich«, sagte der Major in barschem Ton, um zu verbergen, wie glücklich er war, und klopfte seinem Sohn auf den Rücken.
Roger ließ ihn los und wischte sich offenbar eine Träne aus dem Augenwinkel. Er wandte sich zum Gehen, warf dann aber einen Blick zurück und sagte: »Also, was meinst du – sollen wir Mortimer Teale beauftragen, das Ganze schriftlich festzulegen?«
Es dauerte nur den Bruchteil einer Sekunde, dann war dem Major klar, dass er es hier mit etwas anderem als einem bloßen Hindernis für das Vorankommen seines Autos zu tun hatte. Ein Krankenwagen mit blinkendem Blaulicht stand offen und ohne Insassen vor dem Eingang des Dorfladens. Daneben war, quer zur Straße, um den Verkehr zu blockieren, ein Polizeiauto abgestellt, dessen Lichter ebenfalls blinkten. Alle Türen standen offen, und auf dem Fahrersitz sprach ein junger rothaariger Polizist eindringlich in sein Funkgerät.
»Da ist etwas passiert«, sagte Jasmina, sprang, kaum dass er angehalten hatte, aus dem Auto und lief zu dem Polizisten. Als der Major sie erreichte, flehte sie den Mann gerade an, ihr Zutritt zu gewähren.
»Wir wissen nicht genau, was los ist, Ma’am, und mein Sergeant hat gesagt, ich darf niemanden reinlassen.«
»Ist George da drin? Was ist mit ihnen geschehen?«, fragte Jasmina.
»Meine Güte, sie ist die Besitzerin des Ladens!«, warf der Major ein. »Wer ist verletzt?«
»Eine Dame und ihr Sohn.«
»Ich bin die Tante des Jungen. Das Mädchen soll heute meinen Neffen heiraten.«
»Wir suchen nach der Tante«, erklärte der Polizist und packte Jasmina am Arm. »Wo waren Sie vor einer halben Stunde?«
»Sie war den ganzen Nachmittag mit mir in Rose Lodge, und in den letzten beiden Tagen waren wir auch zusammen«, erklärte der Major. »Worum geht es eigentlich?«
In diesem Moment trat ein älterer Polizist aus dem Laden, ein freundlich wirkender Sergeant, dessen struppige Augenbrauen an eine verwilderte Hecke erinnerten. Er hielt den weinenden George, dessen linker Arm dick
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