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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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aus derselben Haltung heraus schenke ich ihn Abdul Wahid, damit Amina, George und er ein eigenständiges Leben führen können, so wie es mir vergönnt war.«
    »Selbstlose Taten sind heutzutage sehr rar. Ich bewundere dich.«
    »Du bist kein selbstsüchtiger Mensch, Ernest. Du hast auf die Fahrt nach Schottland verzichtet, um mich zu retten.«
    »Wenn jede selbstlose Tat so reich belohnt würde, wäre dies ein Land von lauter Heiligen.«
     
    Sie fuhren auf einer Seitenstraße ins Dorf. Einladend lag Rose Lodge im blassen Sonnenschein, der für kurze Zeit aufkam. Schnell gingen sie hinein, um von niemandem gesehen zu werden.
    Auf dem Küchentisch stand eine Teekanne, die noch warm war, daneben lagen der Rest eines Schinkensandwichs und die stark zerknitterte Zeitung des Tages. Im Spülbecken stapelten sich schmutzige Teller und ein fettgetränkter Karton, an dem getrockneter Bratreis klebte.
    »Hier war jemand«, sagte der Major ziemlich erschrocken und wollte schon den Schürhaken holen, um das Haus von oben bis unten nach Eindringlingen zu durchsuchen.
    »Hallo? Hallo?«, rief jemand, und Roger trat, einen Teller mit Toast und eine Teetasse in den Händen, vom Flur in die Küche. »Ach, du bist es. Du hättest mir sagen sollen, dass du kommst, dann hätte ich aufgeräumt.«
    »Ich hätte es dir sagen sollen?«, fragte der Major. »Das hier ist mein Haus. Warum bist du nicht in Schottland?«
    »Ich hatte Lust auf Zuhause«, erklärte Roger. »Aber ich bin hier ja offenbar nicht mehr willkommen.« Er starrte Jasmina an, und der Major versuchte einzuschätzen, wie groß die Wahrscheinlichkeit war, dass er seinen Sohn gleich am Revers packte, hochhob und mit dem Kopf voran auf die Straße warf. Er glaubte sich durchaus dazu fähig, befürchtete aber, dass der Kampf die unerwünschte Aufmerksamkeit der Nachbarn erregen könnte.
    »Ob du hier willkommen bist oder nicht hängt voll und ganz davon ab, ob du es schaffst, dich zivilisiert zu benehmen«, sagte der Major. »Ich habe heute keine Zeit für deine Launen. Mrs. Ali und ich müssen zu einer Hochzeitsfeier.«
    »Es scheint dir ja überhaupt nichts auszumachen, dass mein Leben ruiniert ist«, entgegnete Roger. Er versuchte sich an einer mannhaften Pose, deren Wirkung jedoch stark beeinträchtigt wurde, als ihm der Toast vom Teller glitt und mit der gebutterten Seite auf seiner Hose landete, von wo aus er seinen schmierigen Weg Richtung Boden fortsetzte. »Ach, Scheiße!«, rief Roger, stellte Teller und Tasse ab und wischte mit dem Handrücken über den Fleck.
    »Setz dich doch«, sagte der Major und warf einen Blick in die Teekanne, um zu sehen, ob ihr Inhalt noch frisch war. »Dann trinken wir Tee, und du kannst Jasmina und mir erzählen, was passiert ist.«
    »Ach, Jasmina heißt sie inzwischen, ja?«, sagte Roger, während der Major Tee einschenkte und die Tassen herumreichte. »Ich fasse es nicht! Mein Vater hat eine Freundin – in dem Alter!« Er schüttelte den Kopf, als wäre diese Tatsache der letzte Nagel im Sarg seines zerstörten Lebens.
    »Mit einem vor Zweideutigkeit derart triefenden Wort lasse ich mich nicht bezeichnen«, erklärte Jasmina, während sie ihren Mantel an einen der Haken neben der Hintertür hängte. Sie trat in die Küche und setzte sich an den Tisch. Sehr beherrscht lächelte sie Roger an, aber der Major registrierte, dass sie die Zähne dabei leicht zusammenpresste. »Ich bevorzuge den Begriff ›Geliebte‹.«
    Der Major verschluckte sich an seinem Tee, und Roger lachte sogar. »Na, da wird aber das ganze Dorf sprachlos sein.«
    »Was wirklich wunderbar wäre«, sagte Jasmina und trank einen Schluck.
    »Aber nun zu dir«, sagte der Major. »Was ist in Schottland passiert, und wo sind meine Gewehre?«
    »So ist er, mein Vater – immer mit der Tür ins Haus.«
    »Hast du sie verkauft? Nun sag schon!« Der Major wartete so angespannt auf den Schmerz, den die Antwort für ihn bereithielt, als würde man ihm gleich ein Pflaster von der Haut reißen.
    »Nein, ich habe sie nicht verkauft«, sagte Roger. »Ich habe Ferguson erklärt, wohin er sich sein Barangebot schieben kann, und bin mit beiden Flinten direkt nach Hause gefahren.« Nach einer kurzen Pause fügte er hinzu: »Das heißt, so direkt auch wieder nicht. Ich bin mit dem Zug gefahren und hatte Riesenprobleme mit den Verbindungen.«
    »Mit dem Zug? Und was ist mit Gertrude?«
    »Ach, die hat mich zum Bahnhof gebracht. Ein ziemlich bewegender Abschied, wenn man bedenkt, dass sie

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