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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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Garten mit einem trockengelegten Springbrunnen. Eine niedrige Einfassung aus Terrakotta in Form eines gewundenen Seils umgab die kleine Rasenfläche. Die umliegenden Villen, jetzt Bürogebäude, beherbergten genau die Art von Menschen, für die sie ursprünglich gebaut worden waren: Anwälte, Steuerberater, die eine oder andere Schauspielerin, die ihre beste Zeit hinter sich hatte. Und alle kultivierten sie einen konservativen, vom fast hörbaren Brummen sozialen Aufsteigertums allerdings leicht getrübten Lebensstil. Auch Mortimer Teale besaß diesen ziemlich widerlichen Charakter.
    Da der Major etwas zu früh angelangt war, beobachtete er durch das Bogenfenster des angrenzenden Einrichtungsladens, wie eine füllige Frau in einem grünen Brokatkostüm eine Unmenge von prall gestopften Kissen glatt klopfte und anordnete. Zwei kleine kläffende Schnauzer stürzten sich auf die Borten und Quasten und schnappten danach. Der Major befürchtete, am Ende mit ansehen zu müssen, wie eines der Tiere an einem seidenbezogenen Knopf erstickte, und schlenderte ein paar Türen weiter. Aus einer erdbeerroten Villa voller Steuerberater lief gerade ein junger Mann in einem auffälligen Kreidestreifenanzug auf einen schicken schwarzen Sportwagen zu, wobei er in ein Handy sprach, das nicht größer als eine Lippenstifthülse war. Der Major bemerkte, dass das dynamisch gewellte und gegelte schwarze Haar nur deshalb zurückgekämmt war, um eine kahle Stelle am Hinterkopf zu kaschieren. Er fühlte sich auf unbehagliche Weise an Roger erinnert.
    Der alte Mr. Tewkesbury, Mortimer Teales Schwiegervater, war vielleicht von keinem völlig anderem Menschenschlag, hatte aber doch zumindest eine erfreulich abgemilderte und intelligentere Version der Bewohnerschaft rings um den Platz verkörpert. Die Tewkesburys waren hier schon vor der Jahrhundertwende als Anwälte tätig gewesen und hatten den Pettigrews fast ebenso lange als Anwälte gedient und im Lauf der Zeit durch bewundernswerte Arbeit und die konsequente Weigerung, sich selbst zu verherrlichen, an Format gewonnen. Vater, Sohn und Enkelsohn hatten stillschweigend einen Teil ihrer Zeit auf die Erfüllung ihrer Bürgerpflicht verwendet (auf die kostenlose Rechtsberatung des Stadtrats beispielsweise), ohne den zahlreichen Aufforderungen, für ein Amt zu kandidieren, ein Komitee zu leiten oder in der Zeitung präsent zu sein, jemals Folge geleistet zu haben. Der Major erinnerte sich, wie beeindruckt er als kleiner Junge von Tewkesburys gemächlicher Sprechweise, seiner schlichten Kleidung und der schweren silbernen Taschenuhr gewesen war.
    Dass Tewkesbury dann Mortimer Teale zum Partner machte, hatte sowohl den Major als auch Bertie erstaunt. Teale war aus dem Nichts erschienen und hatte sich mit Elizabeth, Tewkesburys Tochter und Alleinerbin, liiert. Er stamme aus London, hieß es, was aber stets mit so verächtlich herabgezogenen Mundwinkeln vermerkt wurde, als sei von den finsteren Gassen Kalkuttas die Rede oder von einer berüchtigten Strafkolonie wie Australien. Mortimer bevorzugte grellbunte Krawatten, war, was das Essen betraf, extrem wählerisch und katzbuckelte vor den Mandanten auf eine Art und Weise, die dem Major zu der einzigen Gelegenheit verhalf, außerhalb des Kreuzworträtsels der
Sunday Times
das Wort »Tartüfferie« zu verwenden. Teale hatte Elizabeth geheiratet und sich wie ein wohlgenährter Kuckuck in der Tewkesbury-Sippe eingenistet, bis er den alten Tewkesbury endlich unter der Erde hatte. Gerüchten zufolge hatte er dem Messingschild an der Tür seinen Namen hinzugefügt, als der Rest der Familie bei der Beerdigung war.
    Der Major hatte in Erwägung gezogen, sich einen neuen Anwalt zu suchen, wollte dann aber doch nicht mit der Familientradition brechen. In ehrlicheren Momenten gestand er sich ein, dass er schlicht davor zurückgeschreckt war, es Mortimer mitzuteilen. Stattdessen hatte er sich gesagt, dass Mortimer stets hervorragend gearbeitet habe, was auch stimmte, und dass es herzlos sei, einen Menschen nur deshalb nicht zu mögen, weil er violett getüpfelte Einstecktücher trug und schwitzige Hände hatte.
     
    »Wie schön, Sie zu sehen, Major, wenn auch unter so betrüblichen Umständen«, sagte Mortimer, während er dem Major mit ausgestreckter Hand auf dem dunkelgrünen Kanzleiteppichboden entgegentrat.
    »Danke.«
    »Ihr Bruder war ein äußerst feiner Kerl, und ich empfand es als ein Privileg, ihn einen Freund nennen zu dürfen.« Mortimer warf einen

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