Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
ab.
»Wurde da nicht etwas ausgelassen?«, fragte er.
»Alles Erforderliche steht da, möchte ich meinen.« Der Major erkannte sofort, dass Mortimer keinerlei Absicht hatte, ihm über die Peinlichkeit der Frage nach
seinen
Interessen hinwegzuhelfen.
»Es wäre da noch, wie Sie wissen, die Sache mit den Jagdgewehren meines Vaters«, sagte der Major. Er spürte heiße Röte sein Gesicht überziehen, beschloss aber, ein offenes Wort zu führen. »Es herrschte nämlich zwischen allen Beteiligten Einvernehmen darüber, dass die Flinten nach dem Tod von einem von uns beiden wieder zusammengeführt werden sollten.«
»Ach so«, sagte Mortimer gedehnt.
»Ich war davon ausgegangen, dass Berties Testament ausdrückliche Verfügungen in dieser Sache enthält – wie sie in meinem eigenen Testament sehr wohl zu finden sind.« Der Major blickte den Anwalt unverwandt an. Dieser stellte behutsam die Teetasse ab und presste die Fingerspitzen aneinander. Dann seufzte er.
»Wie Sie sehen«, begann er, »taucht eine derartige Bestimmung hier nicht auf. Ich hatte Bertie gedrängt, in Bezug auf etwaige Wertgegenstände, die er möglicherweise vererben wolle, so genau wie möglich zu formulieren …« Mortimers Stimme erstarb.
»Diese Gewehre wurden uns von unserem Vater zu treuen Händen übergeben«, sagte der Major und richtete sich so hoch auf, wie es nur ging. »Es war sein letzter Wunsch, dass wir sie uns Zeit unseres Lebens teilen und dann wieder zusammenführen, um sie an die nächsten Generationen weiterzuvererben. Das wissen Sie genauso gut wie ich.«
»Ja, so hatte ich es auch immer verstanden«, sagte Mortimer zustimmend. »Aber da Ihr Vater Ihnen die Gewehre während seiner Erkrankung persönlich übergab, existierte in seinem Testament keine diesbezügliche Verfügung und daher auch keine Verpflichtung …«
»Ich bin aber sicher, dass Bertie es in seinem Testament erwähnt hat.« Verärgert nahm der Major wahr, dass seine Stimme einen quengligen Unterton annahm.
Mortimer ließ sich Zeit mit seiner Entgegnung. Er lenkte den Blick zum Messinglüster, als suchte er sehr gründlich nach den nächsten Worten.
»Ich kann dazu nur äußerst wenig sagen«, meinte er schließlich. »Eigentlich nur, dass die Weigerung, irgendwelche spezifischen Vermögensgegenstände dem Partner zu vermachen, für manche Ehepaare im allerweitesten Sinn zur Loyalitätsfrage werden kann.« Mortimer verzog das Gesicht zu einer verschwörerischen Grimasse, und der Major glaubte, Marjories schrille Stimme in einem schwachen Echo von der schlichten Wandverkleidung der Kanzlei widerhallen zu hören.
»Meine Schwägerin …?« Mortimer unterbrach ihn mit erhobener Hand.
»Mandantengespräche kann ich nicht kommentieren, und ebenso wenig kann ich irgendwelche noch so hypothetischen Vermutungen anstellen. Ich kann nur sagen, wie sehr ich es bedaure, dass meine Hände derart gebunden sind, dass ich einem guten Mandanten nicht einmal empfehlen darf, sein Testament vielleicht doch noch zu ändern.«
»Alle wissen, dass dieses Gewehr mir gehört«, sagte der Major. Er war jetzt so wütend und gekränkt, dass er sich kurz vor einer Ohnmacht fühlte. »Eigentlich hätte ich es von Anfang an bekommen müssen – als ältester Sohn und so weiter. Nicht dass ich Bertie seinen Anteil je missgönnt hätte, aber mit der Jagd hatte er es nie.«
»Nun, meiner Meinung nach sollten Sie sich einmal in aller Ruhe mit Marjorie über die Sache unterhalten«, sagte Mortimer. »Es wird sich bestimmt eine Lösung finden. Vielleicht sollten wir mit der endgültigen Festlegung des Vollstreckeramts bis dahin noch warten?«
»Ich kenne meine Pflichten«, entgegnete der Major. »Ich werde ungeachtet dieser Sache tun, worum mein Bruder mich gebeten hat.«
»Dessen bin ich mir sicher«, sagte Mortimer. »Allerdings ließe sich da, falls Sie Forderungen aus dem Nachlass geltend machen wollen, ein Interessenkonflikt erkennen.«
»Falls ich vor Gericht gehe, meinen Sie? Ich käme nicht im Traum darauf, den Namen Pettigrew so in den Schmutz zu ziehen!«
»Das habe ich auch nie angenommen. Es wäre äußerst unangenehm, den einen Teil der Familie im Streit mit dem anderen vertreten zu müssen. Entspricht ganz und gar nicht der Tradition unserer Kanzlei.« Er lächelte, und dem Major kam der Verdacht, dass Mortimer nichts lieber täte, als Marjorie im Streit mit ihm zu vertreten, und dass er jedes Fetzelchen seines Vorwissens über die Familie benutzen würde, um zu
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