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Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
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Nähe zum Arm des Majors.
    »Nein danke«, antwortete Grace. Der Major warf Alec einen bösen Blick zu. Er fand die Offerte nicht nett. Grace war eine der wenigen Frauen, die sich die weibliche Abneigung gegen das Sitzen an der Bar erhalten hatten. Undenkbar, dass es ihr als Dame gelingen sollte, würdevoll auf einem hohen Hocker Platz zu nehmen, und obendrein hätte ihr die Anwesenheit einer als Anstandsdame fungierenden anderen Frau schmerzlich gefehlt.
    »Na ja, jedenfalls ist dann etwas wirklich Komisches passiert. Ich erwähnte Ihren Namen und dass wir beide in dieser Sache zusammenarbeiten, und plötzlich schlug sie einen ganz anderen Ton an und war sehr hilfsbereit.«
    »Freut mich, dass Sie erreicht haben, was Sie wollten«, sagte der Major, ängstlich darauf bedacht, das Thema zu beenden, ehe Grace begann, irgendwelche Schlussfolgerungen aus ihrer Beobachtung zu ziehen.
    »Ich wusste gar nicht, dass Sie Mrs. Ali kennen …?« Es klang zögerlich, aber in ihrer Stimme lag deutlich etwas Fragendes, und der Major hielt an sich, um nicht auf seinem Hocker hin und her zu rutschen.
    »Eigentlich kenne ich sie auch gar nicht«, sagte er. »Das heißt, ich kaufe viel Tee bei ihr, das schon. Wir unterhalten uns oft über Tee. Aber ich kenne sie keinesfalls gut.« Grace nickte, und der Major bekam einen Anflug von schlechtem Gewissen, weil er Mrs. Ali verleugnete. Doch dann beruhigte er sich mit dem Gedanken, besser nicht daran zu rühren, denn Grace schien es überhaupt nicht merkwürdig zu finden, dass ihre eigene Freundschaft Mrs. Ali scheinbar so viel weniger galt als ein beiläufiges, geschäftliches Gespräch über Tee.
    »Na, jedenfalls wird sie irgendwelche Bekannte von ihr in der Stadt anrufen und mir dann Vorschläge machen und die Preise nennen. Hauptsächlich Fingerfood, habe ich ihr gesagt, und nicht zu scharf.«
    »Nicht dass wir dann mit Ziegenkopf-Curry und gebratenen Augäpfeln dasitzen«, sagte Alec.
    Grace ignorierte ihn. »Sie ruft mich nächste Woche an. Und vielleicht arrangiert sie ein Probeessen. Ich habe ihr gesagt, dass wir, Sie und ich, uns sehr darüber freuen würden.«
    »Ich?«, fragte der Major.
    »Ich hatte Angst, dass sie wieder frostig wird, wenn ich sage, dass nur ich komme«, erklärte Grace. Darauf wusste der Major nichts zu erwidern.
    »Sieht ganz so aus, als wärst du das Festschmaus-Komitee, Pettigrew«, sagte Alec. »Sieh zu, dass du eine Platte mit Roastbeef reinschmuggelst, ja? Irgendwas Essbares zwischen dem ganzen Vindalho.«
    »Hören Sie, ich kann da unmöglich mithelfen«, sagte der Major. »Schließlich habe ich gerade meinen Bruder verloren … Ich muss mich jetzt um so vieles kümmern … um meine Verwandtschaft und so weiter.«
    »Ich verstehe.« Grace sah ihn an, und aus ihrem Blick sprach Enttäuschung darüber, dass er sich nicht zu schade dafür war, einen toten Verwandten als Ausrede zu benutzen. Aber dazu hatte er ja wohl dasselbe Recht wie jeder andere. Alle machten es so. Schickliche drei, vier Tage bis höchstens ein paar Monate nach dem Begräbnis galt es als völlig legitim. Natürlich gab es Menschen, die auf haarsträubende Weise davon Gebrauch machten, indem sie ihre verstorbenen Verwandten noch nach einem Jahr mit sich herumschleppten und nur zu gern vorzeigten, um verspätete Steuerzahlungen und verpasste Zahnarzttermine damit zu entschuldigen – was er niemals tun würde.
    »Dann muss ich es eben so gut hinkriegen, wie ich kann«, sagte Grace derart resigniert, als wäre ihr Versagen bereits unausweichlich. »Ich hatte Angst, ich könnte Daisy schon wieder enttäuschen, aber das ist natürlich kein Grund, Ihre unermessliche Trauer zu stören. Bitte verzeihen Sie mir.« Sie streckte die Hand aus und berührte den Major leicht am Unterarm. Schlagartig und siedend heiß kroch die Scham in ihm hoch.
    »Also – irgendwann nächste Woche wird es wohl gehen«, sagte er unwirsch und tätschelte ihre Hand. »Dann habe ich das meiste mit der Verwandtschaft geklärt.«
    »Vielen Dank! Daisy wird sich so freuen!«
    »Das ist nun wirklich nicht nötig«, wandte der Major ein. »Kann das nicht unter uns beiden bleiben?« Alec verpasste ihm einen Rippenstoß, und an Graces zart malvenfarbigem Erröten erkannte er, dass seine Worte interpretationsfähig waren. Er hätte die Sache gern klargestellt, aber Grace war schon dabei, den Raum eilig zu verlassen; unterwegs stieß sie mit ihrer knochigen Hüfte an eine Tischecke. Aufseufzend betrachtete der Major sein

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