Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Mrs. Alis unpassende Leidenschaft

Titel: Mrs. Alis unpassende Leidenschaft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Helen Simonson
Vom Netzwerk:
Tag engagierte Gehilfen scheuchten die Enten auf, indem sie herumbrüllten und mit Rechen und Cricketschlägern wild herumfuchtelten. Empört kreischend drehten die Vögel eine Runde über dem Wäldchen und kehrten dann, vom einladenden Pfiff des Wildhüters nach Hause gelockt, zurück – direkt in die Schussbahn der Flinten. Zu dieser aufwendig organisierten Jagd, bei der sich alle frühmorgens auf der Treppe des Herrenhauses trafen und der ein ausgiebiger Brunch folgte, wurde der Major nie eingeladen. Doch die Enttäuschung darüber erfuhr eine leichte Abschwächung durch die Verachtung, die er für die sogenannten Jäger empfand, die es nötig hatten, dass man ihnen das Jagdgeflügel direkt vor den Lauf trieb. Nancy hatte oft gelästert, Dagenham solle doch die Enten einfach tiefgefroren kaufen und den Wildhüter anweisen, eine Handvoll Schrotkugeln zu den Innereien zu werfen. Der Major hatte nie unbeschwert mit ihr darüber lachen können, aber auch er war stets der Meinung gewesen, dass diese Jagd bestimmt nicht der sportliche Wettkampf zwischen Mensch und Beutetier war, an dem er stolzerfüllt teilgenommen hätte.
    »Ich würde sehr gerne kommen«, sagte der Major.
    »Ah – ich glaube, Tom ist mit unserem Tisch fertig«, rief Dagenham, den hoffnungsvollen Gesichtsausdruck Whetstones und des Pfarrers ignorierend. »Wollen wir?«
    »Also dann – bis zum elften«, sagte Ferguson und schüttelte dem Major noch einmal die Hand. »Ich werde hinter Ihnen her sein wie der Bär hinter dem Honig, damit ich mir Ihre Gewehre ganz genau anschauen kann!«
    »Danke für die Warnung«, erwiderte der Major.
     
    »Hast du nicht gesagt, dass es mit dem Gewehr irgendein Problem gibt?«, fragte Alec leise, während sie ihre Sandwiches aßen und es geflissentlich vermieden, verstohlene Blicke zum Tisch von Lord Dagenham zu werfen. Whetstone lachte noch lauter als der Amerikaner, damit auch wirklich alle zur Kenntnis nahmen, dass er mit am Tisch saß. »Was machst du, wenn du es nicht kriegst?«
    Jetzt bereute es der Major, Alec von Berties Testament erzählt zu haben. Irgendwo auf den zweiten Löchern war es ihm herausgerutscht, als ihn die Ungerechtigkeit des Ganzen wieder einmal überwältigt hatte. Es war wirklich das Beste, sich überhaupt niemandem anzuvertrauen. Die Leute vergaßen es nie, und wenn man sich Jahre später auf der Straße traf, erkannte man an der Art, wie der andere den eigenen Namen sagte, und an der Stärke des Händedrucks, dass die geteilte Information noch immer fest mit der eigenen Person verbunden war.
    »Ich bin mir sicher, dass es kein Problem gibt, wenn ich das Ganze erkläre«, entgegnete der Major. »Zumindest für diese eine Gelegenheit wird sie es mir überlassen.« Marjorie war immer schwer beeindruckt von Titeln und wusste nicht, dass es sich bei Lord Dagenham gewissermaßen um einen gestutzten Adeligen handelte, weil bis auf einen Flügel das gesamte Herrenhaus an ein kleines Internat für Kinder im Alter von drei bis dreizehn Jahren vermietet war und obendrein der Großteil des dazugehörigen Ackerlands brachlag und außer EU -Subventionen nichts erbrachte. Er traute es sich zu, seine Lordschaft in den Rang eines Earls hochzustilisieren und Marjorie klarzumachen, welch besondere Ehre die Einladung für die ganze Familie darstellte. Und wenn das Gewehr erst einmal in seinen Händen war, würde er jede Diskussion über die Eigentümerschaft geschickt hinauszögern – vielleicht sogar für immer. Rasch aß er sein Sandwich auf. Wenn er sich beeilte, würde er vielleicht noch an diesem Nachmittag zu Marjorie fahren und die Sache klären können.
    »Ah, Major – wie schön, dass ich Sie noch erwische!« Es war Grace. Sie stand verlegen an der Bar und hielt ihre große Handtasche mit verschränkten Händen wie ein Rettungskissen an sich gedrückt. »Ich habe mit Mrs. Ali in Sachen Ball telefoniert.«
    »Sehr gut«, sagte der Major, um einen Ton bemüht, der so neutral wie möglich klang, ohne abweisend zu wirken. »Dann kann es ja losgehen, oder?« Er hoffte, dass die Männer an Dagenhams Tisch außer Hörweite waren.
    »Anfangs war sie ziemlich zugeknöpft«, berichtete Grace. »Sie sagte, sie mache kein Catering. Ich war ein bisschen enttäuscht. Ich dachte ja, wir würden uns ganz gut verstehen.«
    »Dürfen wir Sie zu einem Drink einladen, Grace?«, fragte Alec und fuchtelte mit einem halben Sandwich in ihre Richtung herum. Ein Stückchen eingelegtes Gemüse landete in gefährlicher

Weitere Kostenlose Bücher