Mrs. Alis unpassende Leidenschaft
damit, gefällig sein zu können. Auch Mr. Rasool nickte und stellte in seinem schwarzen Buch irgendwelche Berechnungen an. Nur das alte Ehepaar blickte ziemlich streng drein.
»Und was ist mit der Musik?«, fragte Mrs. Rasool. »Wollen Sie noch mehr von der Sitar hören, oder planen Sie eher eine Tanzkapelle?«
»Nein, keine Sitar mehr, bitte«, sagte Grace. Der Major seufzte erleichtert auf, als Mrs. Rasool und Grace ein Gespräch über die Schwierigkeiten begannen, eine leise Band zu finden, die alle Standards im Repertoire hatte, dem Abend aber gleichzeitig eine exotische Note verleihen konnte. Er fühlte sich nicht verpflichtet, an der Diskussion teilzunehmen. Stattdessen nutzte er die verhältnismäßig ruhige Situation, um sich zur Seite zu lehnen und mit Mrs. Ali zu sprechen.
»Als ich klein war und in Lahore lebte, war Rasmalai immer unsere Lieblingsnachspeise«, flüsterte er ihr zu. Soweit er sich erinnerte, war Rasmalai das einzige einheimische Gericht, das seine Mutter in der kühlen weißen Villa duldete. Meistens kamen bei ihnen, wie bei allen ihren Freunden auch, süße Aufläufe, Fleischpasteten und schwere Saucen auf den Tisch. »Unsere Köchin gab immer Rosenblütenblätter und Safran in den Sirup, und draußen im Hof hielten wir eine Ziege, aus deren Milch der Quark gemacht wurde.« Er sah die Ziege vor sich, ein griesgrämiges Tier mit einem verkümmerten Hinterbein und Kotbröckelchen im strähnigen Schwanz. Er glaubte sich auch an einen Jungen zu erinnern, etwa in seinem Alter, der auf dem Hof lebte und sich um die Ziege kümmerte. Der Major beschloss, diese Reminiszenz nicht mit Mrs. Ali zu teilen. »Wenn ich es mir heute irgendwo bestelle, hat es nie ganz den Geschmack, an den ich mich erinnere.«
»Ach ja, die Speisen der Kindheit«, sagte Mrs. Ali lächelnd. »Dass man sie nicht nachkochen kann, liegt, glaube ich, eher an dem unseligen Eigensinn unseres Gedächtnisses als an irgendeinem Fehler bei der Zubereitung. Und trotzdem jagen wir ihnen weiter nach.« Sie wandte sich an Mrs. Rasool, zupfte sie am Ärmel und fragte: »Najwa, dürfte der Major mal das berühmte Rasmalai deiner Schwiegermutter probieren?«
Obwohl der Major mit der Behauptung, keinen Bissen mehr hinunterzubringen, Protest erhob, servierten die Kellner gleich darauf Schüsseln mit Quarkbällchen in hellrosa Sirup.
»Die macht meine Schwiegermutter selbst«, erklärte Mrs. Rasool. »Sie mischt gerne noch ein bisschen in der Küche mit.«
»Sie müssen wirklich sehr begabt sein«, sagte Grace so laut und langsam zu der alten Frau, als wäre diese taub. »Ich wünsche mir immer, ich hätte Zeit zum Kochen.« Die Alte warf ihr einen bösen Blick zu.
»Im Grunde muss man ja nur zusehen, wie der Quark abtropft«, meinte Mrs. Rasool. »Aber dabei kannst du alles andere in der Küche im Auge behalten, stimmt’s, Mutter?«
»Meine Eltern sind uns eine große Hilfe«, sagte Mr. Rasool und klopfte seiner Frau zaghaft auf den Arm.
Der Major nahm einen Löffel vom Nachtisch und genoss den sämigen Quark und den leichten Sirup. Zu seiner Freude erkannte er darin das wieder, woran er sich aus seiner Kindheit zu erinnern glaubte, wenn es auch eher der Duft als der Geschmack war.
»Das ist nah dran«, flüsterte er Mrs. Ali zu. »Sehr, sehr nah!«
»Köstlich«, sagte Grace und spitzte ihre Lippen um die winzige Portion Quark auf ihrem Löffel. »Aber ich glaube, wir nehmen besser Trifle.« Sie schob die Schüssel weg und trank aus ihrem Punschglas. »So, und welche Vorschläge haben Sie in Hinblick auf die Dekoration?«
»Mrs. Ali hat gesagt, ich solle mich mal umsehen, und ich hatte die Befürchtung, es würde ziemlich teuer werden«, erklärte Mrs. Rasool.
»Aber dann kam uns ein glücklicher Zufall zu Hilfe«, fügte Mr. Rasool hinzu. »Eine sehr geschätzte Freundin bot ihre Mithilfe an.«
»Ach wirklich?«, sagte Grace. »Unser Budget ist nämlich … Na ja, Sie wissen schon.«
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Mr. Rasool. »Deshalb möchte ich Ihnen ja auch meine Freundin Mrs. Khan vorstellen. Sie ist die Frau von Dr. Khan, einem Facharzt im Hill Hospital. Eine unserer herausragendsten Familien. Sie hat ein eigenes Dekorationsunternehmen.«
Er winkte jemandem zu, und der Major sah die beiden Damen vom Fenstertisch aufstehen. Die ältere winkte zurück und sagte etwas zu ihrer Begleiterin, die daraufhin das Restaurant verließ.
»Saadia Khan?«, fragte Mrs. Ali leise. »Hältst du das wirklich für eine gute
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