Mrs Murphy 01: Schade, dass du nicht tot bist
aus –, »ich rechne es euch hoch an, dass ihr in dieser irrsinnigen Hitze da oben wart. Wir müssen herausfinden, wer dieser … Mensch ist, und keine These ist dabei zu abwegig.« Er prostete Harry zu.
In dieser Nacht bekam Harry, die vergessen hatte, etwas Anständiges zu essen, plötzlich einen Heißhunger. Sie stellte den alten Mixer ihrer Mutter an und schüttete Milch, Vanilleeis, Weizenkeime und Mandeln hinein. Die Mandeln klapperten, als die Messer sie zerkleinerten. Sie trank das Gemisch direkt aus dem Mixbecher.
Tucker kam bellend in die Küche und sprang auf die Hinterbeine. »Das ist er! Das ist er!«
»Tucker, geh da runter. Du darfst das Glas ausschlecken, wenn ich fertig bin.«
Mrs Murphy, die den Radau hörte, erhob sich vom Wohnzimmersofa. »Was ist los, Tucker?«
»Da ist dieser Geruch.« Tucker drehte sich so schnell im Kreis, dass ihr schneeweißer Latz nicht mehr klar zu erkennen war. »Ähnlich wie der Schildkrötengeruch, bloß angenehmer, süßer.«
Mrs Murphy sprang auf die Anrichte und beschnupperte die Weizenkeim- und Mandelkrümel. Der Eiskremgeruch war stark. Sie schnüffelte angestrengt und sprang dann von der Anrichte auf Harrys Schulter.
»He, jetzt ist es aber genug. Diese schlechten Manieren habt ihr nicht zu Hause gelernt.« Harry stellte ihren Becher auf die Anrichte, hob Mrs Murphy von ihrer Schulter und setzte sie sachte auf die Erde.
Tucker gab der Katze einen Nasenkuss. »Was hab ich dir gesagt?«
»Ziemlich ähnlich. Die Mandeln riechen nicht direkt nach Schildkröte, aber eine Schildkröte riecht auch nicht direkt wie das, was wir bei der Betonfabrik und auf den Bahngleisen gerochen haben. Was mag das bloß sein?«
Mrs Murphy und Tucker saßen nebeneinander und starrten zu Harry hinauf, die den letzten Tropfen trank.
»Ach ja, richtig.« Harry nahm Hundekuchen und Katzenkekse aus dem Schrank. Sie gab jedem Tier ein Stück. Die beiden ignorierten das Futter.
»Nicht bloß schlechte Manieren, obendrein auch noch wählerisch.« Harry wedelte mit dem Katzenkeks vor Mrs Murphys Nase. »Ein Häppchen für Mommy.«
»Wenn sie mit der Mommy-Nummer anfängt, wird sie als Nächstes gurren und surren. Iss lieber auf«, riet Tucker.
»Ich versuche den Mandelgeruch in der Nase zu behalten … Oh, hm, wahrscheinlich hast du recht.« Mrs Murphy nahm den Keks zierlich aus Harrys Fingern.
Tucker, weniger zurückhaltend, verschlang ihren Kuchen mit dem glasurähnlichen Überzug.
»Braves Kätzchen. Braves Hündchen.«
»Ich wünschte, sie würde aufhören, mit uns zu reden wie mit kleinen Kindern«, murrte Mrs Murphy.
24
Der Samstag war ein strahlender Tag, ziemlich ungewöhnlich für den schwülen Julimonat. Die Berge glitzerten hellblau, der Himmel zeigte sich in einem cremigen Rotkehlcheneierblau. Mim Sanburne stolzierte zu dem kleinen Anlegesteg am See, der ebenfalls im klaren Licht schimmerte. Ihr Pontonboot Mim’s Vim, die Seitenwände geschrubbt, das Deck geschrubbt, schaukelte sachte auf den plätschernden kleinen Wellen. Die Bar lief über von alkoholischen Genüssen. Ein großer Weidenkorb voll leckerer Spezialitäten, wie mit Rahmkäse gefüllte Schotenerbsen, stand neben dem Steuerrad. Alles war glänzend, Mims Ausstaffierung eingeschlossen. Sie trug eine strahlend weiße Matrosenhose, rote Espandrilles, ein quer gestreiftes rot-weißes T-Shirt und ihre Kapitänsmütze. Ihr Lippenstift, ein grellroter Fleck, reflektierte das Licht.
Jim Sanburne und Rick Shaw steckten im Haus die Köpfe zusammen. Mim hatte ihren Mann sagen hören, man solle das FBI einschalten, aber Rick wiederholte ständig, der Fall lohne nicht für das FBI.
Little Marilyn folgte einem Diener, der die hübschen Körbchen mit den Partygeschenken trug. Beim Anblick der Körbe kam Mim flüchtig der Gedanke an Maude Bly Modena. Sie verbannte ihn schleunigst wieder aus ihrem Kopf. Ihre Theorie war, dass Maude Kellys Mörder überrascht haben musste und deswegen umgebracht worden war. Mim wusste aus zahlreichen Fernsehsendungen, dass ein Mörder oft ein zweites Mal morden musste, um seine Spuren zu verwischen.
Nachdem sie die kleinen Geschenke auf ihrem Boot arrangiert hatte, schlenderte Mim träge zur Terrasse hinauf und ging ums Haus herum nach vorn. Trichterlilien prunkten knallgelb und orangerot. Seltsamerweise blühte ihre Glyzine noch, und der Lavendel stand in voller Pracht. Sie konnte die Ankunft ihrer Freundinnen Port und Elliewood sowie Miranda Hogendobber kaum erwarten.
Weitere Kostenlose Bücher