Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
ich mich von der Leine losgerissen. Aber ich bin froh, dass sie mich nicht auf den Krebsball geschleppt haben. Marilyn sagt, sie erträgt nur eine gewisse Anzahl davon im Jahr, außerdem will sie alles für Stafford und Brenda vorbereiten. Gott sei Dank. Ich kann eine Pause gebrauchen.«
Fair wechselte das Thema. »Glaubst du, dieser Neue mag Harry? Ich dachte, Typen wie der fliegen auf langbeinige Blondinen oder auf Kerle.«
»Über seine Vorlieben kann ich nichts sagen, aber Harry sieht gut aus. So natürlich. Von der vielen frischen Luft. Ich werde nie verstehen, warum ihr zwei Schluss gemacht habt, Kumpel.«
Fair, der es nicht gewöhnt war, sich über persönliche Dinge auszutauschen, saß still da und bestellte sich noch ein Bier. »Sie ist ein guter Mensch. Wir sind zusammen aufgewachsen. Auf der Highschool waren wir unzertrennlich. Sie war mehr eine Schwester für mich als eine Ehefrau.«
»Ja, aber Boom Boom kennst du auch schon, seit ihr klein wart«, konterte Fitz.
»Das ist nicht dasselbe.«
»Da hast du recht.«
»Und was willst du damit sagen?« Fair spürte ein unangenehmes Kribbeln im Rücken.
»Ah … na ja, ich meine, sie sind vollkommen verschieden. Die eine ist ein Reitpferd und die andere … ein Rennpferd.« Eigentlich wollte er sagen: »Die eine ist ein Reitpferd und die andere eine dumme Pute«, aber das verkniff er sich. »Boom Boom heizt dir mächtig ein. Ich hab sie Motoren in Gang bringen sehen, die jahrelang keinen Muckser gemacht hatten.«
Fair strahlte übers ganze Gesicht. »Sie ist attraktiv.«
»Dynamit, mein Freund, Dynamit.« Fitz, weniger gehemmt als sonst, kam in Fahrt. »Aber ich würde Harry jederzeit nehmen. Sie ist witzig. Sie ist eine Partnerin. Sie ist eine Freundin. Das andere – he, Fair, das kühlt sich ab.«
»Du drehst ja richtig auf«, bekam er trocken zur Antwort.
»Du kannst mir jederzeit sagen, dass ich die Klappe halten soll.«
»Da wir schon beim Thema sind, erzähl mir doch mal, was du an Little Marilyn findest. Sie ist eine Miniaturausgabe ihrer Mutter und auf dem besten Wege, so kalt zu werden wie ein Klotz. Und soweit ich das beurteilen kann, vernachlässigt sie sogar die ehrenamtliche Wohlfahrtsarbeit. Ich möchte wissen, was –«
»An ihr dran ist?« Fitz beschloss, nicht gekränkt zu sein. Immerhin ließ er einiges heraus, da musste er auch was einstecken. »Die Wahrheit? Die Wahrheit ist, ich habe sie geheiratet, weil es so gut zusammenpasste. Zwei ansehnliche Familienvermögen. Zwei große Familiennamen. Wenn meine Eltern noch lebten, sie wären stolz. Oberflächliches Zeug, genau genommen. Und in meiner Jugend hab ich’s wild getrieben. Ich musste zur Ruhe kommen. Seltsam, inzwischen liebe ich Marilyn. Du kennst die echte Marilyn nicht. Wenn sie sich nicht verausgabt in ihrem ewigen Bemühen, überlegen zu sein, ist sie einfach spitze. Sie ist ein scheuer kleiner Käfer und hat ein gutes Herz. Und das Komische ist, ich glaube, sie hat mich auch gern. Ich glaube nicht, dass sie mich aus Liebe geheiratet hat, so wenig wie ich sie aus Liebe geheiratet habe. Sie ging die Ehe ein, die diese alte Vettel« – er zischte das Wort hervor – »von einer Mutter inszeniert hatte. Vielleicht war Mim klüger als wir. Wie auch immer, ich habe meine Frau lieben gelernt. Und ich hoffe, dass ich sie eines Tages von hier weglotsen kann. Wir gehen irgendwohin, wo die Namen Sanburne und Hamilton absolut nichts bedeuten.«
Fair starrte Fitz an, und Fitz starrte zurück. Dann brachen sie in Lachen aus.
»Noch ein Bier für meinen Freund.« Fitz warf Geld auf die Theke.
Fair griff begierig nach dem kalten Glas. »Eigentlich könnten wir uns volllaufen lassen.«
»Ganz meine Meinung.«
Als Fitz nach Hause kam, war das Abendessen kalt und seine Frau alles andere als gut gelaunt. Er beschwichtigte sie mit dem Leckerbissen, dass Boom Boom mit Blair auf den Krebshilfeball gegangen war, dann schenkte er ihr und sich einen edlen Sherry als Schlaftrunk ein, eines ihrer Rituale. Bis sie ins Bett schlüpften, hatte Marilyn ihrem Mann verziehen.
28
Am Ende einer alten Landstraße stritten sich zwei Männer. Eine schwere Wolkendecke verstärkte die gespannte, düstere Stimmung. Weiter oben in der Ferne war die versiegelte Höhle des ersten Tunnels zu sehen, den Claudius Crozet durch die Blue Ridge Mountains getrieben hatte.
Einer der beiden Männer schüttelte die geballten Fäuste vor dem Gesicht des anderen. »Du verdammter Blutsauger! Keinen Cent
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