Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
obwohl es schon anderthalb Jahre her sei.
Harry zeigte Mitgefühl, und als er sie nach ihrem Leben fragte, erzählte sie ihm, wie sie auf dem Smith College Kunstgeschichte studiert, ihre berufliche Bestimmung aber nicht gefunden hatte und schließlich bei dem Job im Postamt gelandet war, der ihr wirklich Freude mache. Ihre Ehe sei wie ein zweiter Job gewesen, und nach der Scheidung habe sie sich gewundert, wie viel freie Zeit sie hatte. Sie wolle sich nach etwas umsehen, das sie neben dem Postdienst tun könnte. Sie habe an eine Agentur für Pferdebilder gedacht, aber sie kenne sich auf dem Markt nicht genügend aus. Sie habe jedoch keine Eile. Auch sie habe das Gefühl, dass sie langsam aufwache.
Sie überlegte, ob sie ihn bitten solle zu bleiben. Sein Haus war so kahl, aber es schien ihr nicht richtig, ihn jetzt schon zu fragen. Harry lag es nicht, etwas zu überstürzen.
Als er aufstand, um nach Hause zu fahren, umarmte sie ihn zum Abschied, dankte ihm für die Lebensmittel und sagte: »Dann bis morgen.«
Sie sah seinen Rücklichtern nach, als er die kurvige Zufahrt hinunterfuhr. Dann zog sie ihre Jacke an und brachte Essensreste für das Opossum nach draußen.
45
Harry hatte sich’s mit dem neuesten Roman von Susan Isaac im Bett gemütlich gemacht, als zu ihrer Verwunderung das Telefon klingelte.
Fairs Stimme knatterte in der Leitung. »Kannst du mich hören?«
»Ja, einigermaßen.«
»Die Leitungen sind am Vereisen. Vielleicht bist du bald ohne Strom und Telefon. Bist du allein?«
»Was soll die Frage. Und du? Bist du allein?«
»Ja. Ich mach mir Sorgen um dich, Harry. Was alles geschehen könnte, wenn du von der Welt abgeschnitten bist!«
»Mir passiert schon nichts.«
»Das kannst du nicht wissen. Dass noch nichts passiert ist, muss nicht heißen, dass du nicht in Gefahr bist.«
»Vielleicht bist du in Gefahr.« Harry seufzte. »Fair, soll das etwa eine Entschuldigung sein?«
»Äh … hm, ja.«
»Ist bei Boom Boom der Lack ab?«
Lange war nur ein Knistern in der Leitung zu hören, bis Fair schließlich sagte: »Ich weiß nicht.«
»Fair, ich war deine Frau, und davor war ich eine deiner besten Freundinnen. Vielleicht können wir mit der Zeit wieder gute Freunde werden. Sag mal: Hast du einen Haufen Geld für Boom Boom ausgegeben?«
Diesmal war das Schweigen quälend. »Ich denke, ja, für meine Verhältnisse. Harry, es ist nie genug. Ich kauf ihr was Schönes – stell dir vor, Zaumzeug aus England, und diese Sachen sind ja nicht billig. Aber egal, ich kauf ihr zum Beispiel das englische Zaumzeug, und sie fällt über mich her vor lauter Glück. Zwei Stunden später ist sie am Boden zerstört, ich hätte kein Gespür für ihre Bedürfnisse. Ist sie mit ihren Bedürfnissen denn nie am Ende? Macht sie das mit Frauen genauso, oder hat sie diese Masche für Männer reserviert?«
»Mit Frauen macht sie es genauso. Denk nur mal an die Jammergeschichte, die sie Mrs MacGregor aufgetischt hat, und wie Mrs MacGregor ihr ausgeholfen und ihr Pferde geliehen hat – das war lange bevor sie mit Kelly verheiratet war. Mrs MacGregor hatte es bald satt. Sie musste das Sattelzeug und das Pferd sauber machen, weil Boom Boom nach dem Ausreiten immer gleich verschwand. Sie ist einfach, ach, ich weiß nicht. Sie ist eben unzuverlässig. Dass Kelly Craycroft sie geheiratet hat, das war das Beste, was ihr je passiert ist. Er konnte sie sich leisten.«
»Das ist es ja eben, Harry. Kelly hat ihr ein beachtliches Vermögen hinterlassen, und sie jammert, wie arm sie ist.«
»Mitleid holt mehr Geld aus den Leuten heraus als andere Emotionen, schätze ich. Bist du pleite? Hast du … sehr viel ausgegeben?«
»Hm … mehr, als ich mir leisten konnte.«
»Kannst du die Miete für das Haus und deine Praxis bezahlen?«
»Das ist aber auch alles, was ich noch bezahlen kann.«
Harry überlegte eine Weile. »Wenn du deine Einrichtung auf Pump gekauft hast, kannst du geringere Raten aushandeln, bis du wieder bei Kasse bist. Und wenn du deine Beiträge für den Jagdklub nicht aufbringen kannst, Jock ist da sehr verständnisvoll. Er wird sie dir stunden.«
»Harry« – Fair erstickte fast an seinen Worten –, »ich war ein Trottel. Ich wünschte, ich hätte dir das Geld gegeben.«
Tränen kullerten Harry über die Wangen. »Mein Lieber, das ist jetzt nicht mehr zu ändern. Komm wieder auf die Beine, und nimm Urlaub von den Frauen – einen Jahresurlaub.«
»Hasst du mich?«
»Das war einmal. Ich bin drüber
Weitere Kostenlose Bücher