Mrs Murphy 02: Ruhe in Fetzen
Sachen, wo dich nichts angehn«, las sie laut. »Was ist das?«
»Ich weiß nicht, was das ist, ich weiß nur, dass die Grammatik nicht stimmt. Herbie und Carol haben eine bekommen, außerdem die Sanburnes, die Hamiltons, Fair Haristeen, Boom Boom, Cabby und Taxi – kurz und gut, fast alle, die wir kennen.«
»Wer hat keine bekommen?«
»Blair Bainbridge.«
Harry hielt die Karte ins Licht. »Guter Druck. Haben Sie Sheriff Shaw angerufen?«
»Ja. Und Charlottesville Press, Papercraft, Kaminer und Tompson, King Lindsay, sämtliche Druckereien in Charlottesville. Niemand hat Unterlagen über so eine Bestellung.«
»Könnte ein Computer mit Grafikprogramm so was machen?«
»Da fragen Sie mich? Dafür sind Kinder da, die spielen mit Computern.« Mrs Hogendobber stemmte die Hände in die Hüften.
»Ah, da kommen Rick und Cynthia. Vielleicht wissen sie was.«
Die Beamten meinten, die Postkarten könnten mit einem teuren Laserdrucker gedruckt worden sein, aber sie wollten sich bei Computer-Experten in der Stadt erkundigen.
Während sie langsam losfuhren, sah Cynthia im Westen neue Sturmwolken aufziehen. »Boss?«
»Ja?«
»Warum tut ein Mörder so was? Es ist dumm.«
»Einerseits ja, andererseits … also ich weiß nicht.«
Rick umfasste das Lenkrad fester und ging auf Kriechtempo herunter. »Wir haben so gut wie nichts in der Hand. Er oder sie weiß das, aber irgendwas steckt in diesem Menschen, das auf sich aufmerksam machen will. Er will nicht erwischt werden, aber er will uns und alle anderen wissen lassen, dass er schlauer ist als wir andern alle zusammen. Ein klassischer Konflikt.«
»Er muss sich seine Macht bestätigen und sich trotzdem versteckt halten.« Sie winkte Fair zu, der im Schnee stecken geblieben war. »Wir halten am besten an. Ich denke, wir können ihn rausziehen.«
Rick verdrehte die Augen nach oben. »Hören Sie, ich weiß, es ist ungesetzlich, deshalb bitte ich Sie nicht direkt, aber wäre es nicht eigenartig, wenn diese Postkarten für einen Tag verlegt würden – nur für einen Tag?« Er machte eine Pause. »Wir haben es mit jemandem zu tun, der unglaublich gerissen ist, mit jemandem, der gerne Katz und Maus spielt. Verdammt. Es ist Weihnachten!«
»Hä?«
»Im Moment habe ich Angst um jedes Weihnachtsgeschenk unter jedem Weihnachtsbaum.«
48
Eine gewaltige Douglas-Fichte reichte bis an die hohe Decke von Mim Sanburnes eleganter Villa. Die Hartholzböden schimmerten vom Widerschein der Baumlichter. Unter dem Baum, auf der Anrichte, überall waren Geschenke gestapelt, fröhliche Päckchen, in grüner, goldener, roter und silberner Folie verpackt und mit riesigen bunten Schleifen gekrönt.
An die 150 Gäste füllten die sieben Räume im Parterre des alten Hauses. Zion Hill, wie das Haus genannt wurde, war aus einer 1769 errichteten einräumigen Blockhütte hervorgegangen. Damals waren die Indianer herbeigestürmt und hatten die Weißen getötet, und bis nach dem Freiheitskrieg war Zion Hill ohne Nachbarn geblieben. Schießscharten waren in der Wand, hinter der sich die Pioniere verschanzt hatten, um auf die angreifenden Indianer zu schießen. Die Urquharts, Mims Familie mütterlicherseits, waren zu Wohlstand gelangt und hatten das Haus im Unionsstil vergrößert. Ein rapider wirtschaftlicher Aufschwung verlieh den Vereinigten Staaten in den 1820er-Jahren Glanz. Das Land hatte wieder einen Krieg gegen Großbritannien gewonnen, der Westen wurde erschlossen, alles schien möglich. Captain Urquhart, der in der dritten Generation in Zion Hill lebte, investierte in Pippinäpfel, die angeblich von Dr. Thomas Walker, dem Arzt Thomas Jeffersons, aus dem Staat New York ins Land gebracht worden waren. Der Captain kaufte Bergland zu einem Spottpreis und legte riesige Obstplantagen an. Ein Glück für den Captain, dass die Amerikaner Äpfel mochten: ob als Apfelauflauf, Apfelmost, Apfelmus, Apfeltorte oder Apfelkrapfen. Auch Pferde liebten Äpfel.
Vor dem Bürgerkrieg kaufte sich die nächste Urquhart-Generation in die Eisenbahn ein, die nach Westen fuhr, und häufte weiteres Vermögen an. Dann kam der verheerende Bürgerkrieg, dem drei oder vier Söhne zum Opfer fielen. Von der übernächsten Generation hatten nur eine Tochter und ein Sohn überlebt. Die Tochter war so vernünftig, einen Yankee zu heiraten. Er war zwar unbeliebt, brachte aber Geld und die für Neuengland typische Sparsamkeit mit. Der Bruder, dessen Kriegsverwundungen nie ganz heilten, arbeitete für den Ehemann
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