Mrs Murphy 04: Virus im Netz
es erwähnt hatten, wusste Marilyn nicht, dass bei dem Vorfall ein Kuss im Spiel gewesen war. Da die zwei Rivalinnen aus Leibeskräften gebrüllt und gekreischt hatten, kannte sie allerdings den Rest. Sie hatte, wie die meisten anderen Trauergäste, jedes Wort gehört. »Ich wäre auch wütend geworden. Das kann ich verstehen. Ich würde nicht wollen, dass jemand meinen Mann küsst, schon gar nicht eine frühere Geliebte. Aber, Aysha, du musst darüber wegkommen. Immer, wenn du auf sie reagierst, kriegt sie, was sie will. Ihr, nicht Norman, gilt deine ganze Beachtung, und ihr, nicht dir, gilt Normans ganze Beachtung. Da musst du drüberstehen.«
»Du hast leicht reden. Ich erinnere mich, wie falsch sie in der Schule war – so freundlich, wenn sie mit dir sprach, und so gemein hinter deinem Rücken -«
»Ich will nichts davon hören.« Marilyn trat einen Schritt auf Aysha zu, merkte, was sie tat, und blieb stehen. »Wenn du so weitermachst, Aysha, wirst du genau so eine Zimtzicke wie deine Mutter.«
»Du denkst, du bist besser als alle anderen, weil du das Vermögen deiner Mutter erbst. Wenn Big Marilyn meine Mutter wäre, würde mir angst und bange. Jede Frau wird mal wie ihre Mutter. Meine ist ein kleiner Fisch gegen deine.«
»Ich mach mir nichts aus dem Geld.«
»Wer es hat, macht sich nie was draus. Das ist es ja eben! Ich hoffe, dass ich eines Tages so viel habe wie du, damit ich’s dir unter die Nase reiben kann.«
»Deine Zeit ist um. Ich übernehme jetzt.« Marilyn ging ruhig in den Wohnraum, um die Besucher in Monroes Heim zu begrüßen.
33
Eine Klimaanlage war ein Luxus, den Harry sich nicht leisten konnte. Ihr Haus am Fuß des Yellow Mountain war immer kühl, außer in den schwülsten Sommernächten. Dies war so eine schlimme Nacht. Alle Fenster standen offen, um den nicht vorhandenen Wind hereinzulassen. Harry warf und wälzte sich herum, schwitzte, und am Ende fluchte sie.
»Ich weiß nicht, wie du dabei schlafen kannst«, murrte sie, als sie über Tucker hinwegstieg und ins Badezimmer ging.
Als Harry sich die Zähne putzte, erklomm Mrs Murphy behände das Waschbecken.
»Höllisch heiß.«
Den Mund voll Zahnpasta, antwortete Harry nicht auf Murphys Bemerkung. Nachdem sie den Mund gespült hatte, kraulte sie die Katze, die genüsslich schnurrte.
Ein Gang durchs Haus verschaffte keine Erleichterung. Sie ging in die Bibliothek, von Murphy beschattet.
»Mutter, dies ist der heißeste Raum im Haus. Warum legst du dir nicht Eiswürfel auf den Kopf und setzt eine Baseballkappe obendrauf? Das hilft bestimmt.«
»Mir ist auch heiß, Schätzchen.« Harry warf einen Blick auf die alten Bücher, die ihre Mutter bei den von ihr veranstalteten Büchereiverkäufen für sich reserviert hatte. »Ich weiß, was wir machen. Wir gehen in den Stall, stellen den kleinen Tisch aus der Sattelkammer in den Gang und denken nach. Im Stall ist es im Moment am kühlsten.«
»Ist ’nen Versuch wert.« Murphy raste zu der Verandatür und stieß sie auf. Der Haken hing nutzlos da, weil die Ösenschraube schon längst verloren gegangen war.
Als sie in den Stall kamen, rauschte die Eule über ihre Köpfe hinweg. »Ihr zwei Idioten verderbt mir eine gute Jagdnacht.«
»Ekelpaket.« Mrs Murphy plusterte ihr Fell auf.
Als Harry das Licht anknipste, steckte das Opossum den Kopf aus einem Plastik-Futtereimer. »He.«
»Keine Angst, Simon. Sie hat nichts dagegen. Wir stellen ein paar Nachforschungen an.«
»Hier?«
»Zu heiß im Haus.«
»Man hat hier schon das Gefühl, als wär man in ein großes nasses Handtuch gewickelt. Im Haus muss es noch schlimmer sein«, pflichtete Simon ihr bei.
Harry, die von der lebhaften Unterhaltung zwischen ihrer Katze und dem Opossum nichts ahnte, trug den kleinen Tisch in den Gang, stellte einen Ventilator auf, griff zu Bleistift und ihrem linierten Block, setzte sich hin und fing an, sich Notizen zu machen. Hin und wieder schlug Harry sich auf den Arm oder den Nacken.
»Wieso stechen die Mücken mich und lassen dich in Ruhe?«, fragte sie die Tigerkatze, die nach dem kritzelnden Bleistift schlug.
»Die können nicht durchs Fell. Euch Menschen fehlt es am wirksamsten Schutz. Dauernd macht ihr uns Übrigen weis, das käme daher, weil ihr so hoch entwickelt seid. Irrtum. Adleraugen sind viel stärker entwickelt als eure. Meine übrigens auch. Reib dich mit Mückenschutz ein.«
»Ich wünschte, du könntest sprechen.«
»Ich kann sprechen. Du kannst bloß nicht verstehen, was
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