Mrs Murphy 05: Herz-Dame sticht
bezahlt. Ich habe keine eigenen Pferde laufen. Herrgott, Addie, die Unterhalts- und Tierarztkosten allein fressen dich bei lebendigem Leibe auf. Hindernisrennen ist was für reiche Leute.«
»Wir sind reich.«
»Nicht, wenn du von heute auf morgen alles auf eine Karte setzen willst. Wir müssen das Geld in risikoarmen Aktien und Obligationen anlegen. Wenn ich das Geld in zehn Jahren verdoppeln kann, dann können wir daran denken, uns einen eigenen großen Rennstall zu halten.«
»Wozu ist das Leben da, Charles?« Sie nannte ihn bei seinem richtigen Namen. »Um Geld zu horten? Um Bilanzen zu lesen und täglich mit unserem Börsenmakler zu telefonieren? Kaufen wir eine erschwingliche kleine Farm oder pachten wir auf zehn Jahre? Vielleicht meine ich, das Leben ist ein Abenteuer – man geht Risiken ein, man macht Fehler. He, Chark, vielleicht verliert man sogar Geld, aber man lebt.«
»Leben, von wegen. Du wirst bei einem Blutsauger landen, der dich wegen deines Vermögens heiratet. Dann seid ihr zwei, die unser Erbe verjubeln.«
»Nicht unser Erbe. Mein Erbe. Du nimmst deins, und ich nehme meins. So einfach ist das.«
»Ich werde nicht zulassen, dass du dich ruinierst.«
»Nun, Bruderherz, dagegen kannst du absolut nichts machen.« Sie hielt inne, blinzelte heftig, dann sagte sie leise: »Du könntest Nigel getötet haben. Das würde ich dir zutrauen.« Sie trat nahe an sein Gesicht heran. »Aber eins will ich für dich tun. Du machst dir solche Sorgen um mich? Dann gebe ich dir einen Rat. Lass den guten alten Onkel Arthur sausen. Er ist ein Dinosaurier. Und zwar ein sehr betuchter Dinosaurier, dank Moms Testament. Er hat seine zehn Prozent als Testamentsvollstrecker gekriegt. Und wenn du den alten Knacker los bist, stell was Verrücktes an, Chark. Was Unnützes. Kauf dir einen Porsche 911 oder geh nach New York und hau dir einen Monat lang die Nächte um die Ohren. Leb ein einziges Mal dein Leben. Lass dich einfach gehen.« Sie drehte sich um und ging hinaus.
Er rief ihr nach: »Ich habe Nigel Danforth nicht umgebracht!«
Sie hob herausfordernd den Kopf und drehte sich wieder zu ihm um. »Chark, wer weiß, vielleicht bringst du mich um, und dann kannst du den ganzen Krempel haben.«
»Ich kann nicht glauben, dass du das gesagt hast.« Sein Gesicht war kreidebleich.
»Hab ich aber. Ich muss zu meinen Rennen.« Damit ließ sie ihn stehen.
36
Ein gutes Rennpferd, genau wie ein guter Mensch, entsteht durch ein mühsames Zusammenspiel von Disziplin, Talent, Glück und Mut. Die besten Stammbäume der Welt allein bringen keinen Sieger hervor, wenngleich sie die Chancen erhöhen mögen.
Vollblüter, die eine Spur zu langsam sind für die Flachrennbahn, finden ihren Weg in die Hindernisrennställe der Ostküste. Hindernispferde, die viel mehr Ausdauer benötigen als ihre Brüder, die Flachrennen bestreiten, verblüffen die Pferdewelt. So manches erfolgreiche Hindernispferd wurde später bei der Fuchsjagd eingesetzt, beneidet von allen, die das Tier über Zäune, Hürden, Gräben und Steinmauern setzen sehen.
Sie versammelten sich an der Springdale-Bahn zu dem mit 100.000 Dollar dotierten Colonial Cup, dem letzten Rennen der Saison. Nach diesem Rennen würden die Punkte notiert und der beste Trainer, das beste Pferd, der beste Jockey der Saison ermittelt werden.
Harry und Mrs Hogendobber fanden, dass sie sich am besten nützlich machen konnten, indem sie die übernervöse Mim ablenkten. Sie hüteten sich, die Valiants vor einem Rennen zu stören. Mim von ihnen fernzuhalten schien ihnen eine gute Taktik.
Tucker beklagte sich, weil sie angeleint war, aber Harry weigerte sich, sie loszulassen. »Du weißt nicht, wo du bist, und könntest dich verlaufen.«
»Hunde verlaufen sich nicht. Nur Menschen.«
»Sie ist quengelig heute morgen.« Miranda, die ihren Lieblingswickelrock, eine weiße Bluse und einen roten Zopfmusterpullover trug, wirkte wie der Inbegriff des Herbstes.
»Die Menschenmenge regt sie auf.«
»Ich befinde mich auf einer Aufklärungsmission. Ich muss mich mit allen Tieren unterhalten, die mit mir sprechen wollen.«
Ohne Rücksicht auf Tuckers Vorhaben zog Harry sie zum Führring. Nachdem sie sich ein paar Meter hatte zerren lassen, beschloss Tucker, nachzugeben und brav bei Fuß zu gehen. Konnte sie schon ihren Willen nicht haben, dann musste sie eben gute Miene zum bösen Spiel machen.
Prächtige immergrüne Eichen schirmten den Führring ab. Die Funktionäre hatten in der letzten
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