Mrs. Murphy 19: Mausetot
Nierentransplantationen steigen drei Wochen nach der Operation aufs Pferd. Ein Mensch, der sein Leben gröÃtenteils vor dem Computer verbringt, kann nach drei Wochen eben mal gehen, mehr aber auch nicht.
Diese Blindheit gegenüber dem ganzen Menschen trieb Izzy, Regina und den jüngeren Jerome zum Wahnsinn. Die älteren Ãrzte nahmen diejenigen, die über Geist und gesunden Menschenverstand verfügten, wie die junge Chirurgin Dr. Jennifer Potter, unter ihre Fittiche. Cory Schaeffer lieÃen sie links liegen. Eins musste man ihm lassen, er war in seiner Freizeit meist von Sportlern umgeben, hielt sich in Form und schien einen anderen Sportler auf den ersten Blick zu erkennen, und sei es auf dem Operationstisch. Doch seine Arroganz bewirkte, dass die alte Garde ihn nicht für würdig befand, ihn über die feinen Unterschiede aufzuklären â nicht nur über die in der Medizin, sondern auch über die von Virginia. Sie lehnten sich zurück und sahen zu, wie er die Fehler machte, die ihn teuer zu stehen kommen konnten â wenn nicht auf medizinischem, dann auf gesellschaftlichem Terrain.
Nach der feierlichen Durchtrennung des Bandes hatten Izzy und Regina sich zurückgezogen, um etwas zu trinken.
»Ich bin froh, dass ich mich bald zur Ruhe setze«, sagte Izzy und griff nach seinem zweiten Scotch mit Soda.
»Wenn wir doch einfach nur Medizin praktizieren könnten«, sagte Regina wehmütig.
»Die Zeiten sind vorbei, Regina, für immer vorbei.«
»Ich tue jedenfalls mein Bestes.«
Und das tat sie.
Das Central Virginia Hospital lag in der Mitte einer breiten RingstraÃe. Vom Kern des Neubaus, einem groÃen sechsstöckigen Quader, gingen die verschiedenen Abteilungen ab. Die Architekten empfanden ihre Schöpfung als ein dem neuesten Stand entsprechendes medizinisches Zentrum, aber wie so vieles Neue war es verflucht verwirrend. Musste man in den Kernbau, um sich anzumelden, oder ging man in den Seitenflügel, wo der Spezialist seine Praxis hatte?
Sehr gut war die Notaufnahme gelungen, die unschwer zu finden war. Es war der erste Abzweig vom Hauptgebäude, wenn man von der StaatsstraÃe auf die RingstraÃe abbog. Das Vordach, wo die Krankenwagen vorfuhren, war beleuchtet, sodass man es nicht verfehlen konnte.
Eine weitere Leistung der Architekten waren die auÃergewöhnlichen Parkanlagen und Bepflanzungen. Man sah viel Grün. Dr. MacCormacks Praxis lag an einer der StraÃen, die von der RingstraÃe abgingen, abseits vom Hospital. Auch die übrigen Gebäude waren funkelnagelneu. Viele Ãrzte konnten in ihrer Praxis kleinere Operationen durchführen, eine groÃe Annehmlichkeit für die Patienten. Harry fuhr zur Willow Lane, bog rechts ab und war in weniger als einer Minute an dem modernen dreistöckigen Bau aus Stahl und Glas. Ein kostspielig gestaltetes Schild mit dem Ãskulapstab wies darauf hin, dass hier die Willow-Lane-Ãrztegemeinschaft zu finden war. An der Eingangstür waren auf einem weiteren, ebenfalls exquisit gestalteten Schild mit eingelassenen Buchstaben in Schwarz, die mit Gold abgesetzt waren, alle dort residierenden Ãrzte aufgeführt.
Harry trat um zehn durch die Tür von Reginas Sprechzimmer und kam um halb elf heraus. Sie fühlte eine Last auf den Schultern, die sie noch nie gespürt hatte.
Als sie über den Parkplatz zu ihrem Transporter ging, sagte sie Dr. Cory Schaeffer hallo.
»Wie gehtâs, Harry?«, fragte er.
»Gut«, log sie. »Und Ihnen?«
»Gut, danke.« Er schloss die Tür eines kleinen, in einem hübschen hellen Metallicgrün lackierten Autos ab.
»Ist das ein Elektroauto?«
»Ja. Ein Lampo. Habe ich erst letzte Woche gekauft. Man steckt den Schlüssel rein, hört kein Motorengeräusch. Daran musste ich mich erst gewöhnen, aber die Fahrleistung ist unglaublich. Und die Araber können mich mal. Ich brauche ihr Benzin nicht.«
Angesichts Corys aggressiver Einstellung zu diesem und anderen Themen hielt Harry sich zurück. »Sehr vernünftig. Korrigieren Sie mich, wenn ich mich irre. Kostet die Batterie hierfür nicht zwölftausend Dollar?«
»Ãh, ich weià den Preis nicht so genau, aber ich laufe nicht Gefahr, eine Batterie kaufen zu müssen. Ich habe einen Aktionsradius von sechshundertfünfzig Kilometern. Das ist wirklich unglaublich. Der Wagen schaltet auf einen Vier-Zylinder-Motor
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