Mrs. Murphy 19: Mausetot
besser gesagt, sie sah genauso aus wie Sie. Man hätte Sie für Schwestern halten können.«
»Gott, sind Sie süÃ! Ach kommen Sie, die grauen Haare verraten mich.«
»Manche Rockstars färben sich die Haare so blond, dass sie grau sind. Sagen Sie, haben Sie mal Fotos von Mamy Rock gesehen, DJ in England? Sie ist fünfundsiebzig, hat kurzgeschnittene graue Haare. Sie sieht fantastisch aus.«
»Kenn ich nicht. Ich guck mal im Internet nach.« Mrs. Benton sah ihren Mann mit Ned, Fair und Reverend Jones einen Sitzrasenmäher über eine provisorische Rampe in den gemieteten Kleinlaster schieben. »John holt sich noch einen Bruch.«
Harry betrachtete die Männer. »Er sieht gesund und kräftig aus. Muss wohl in der Familie liegen.«
»Er ist gut in Form, aber ich ziehe ihn gerne auf. Pudel war Läuferin. John ist auch gelaufen. Das hat Doktor Veronese uns unter anderem gesagt: wie stark Pudels Herz war.«
Harry, deren Neugierde über ihre Zurückhaltung siegte, fragte: »Hatte sie Feinde?«
»Pudel?«
»Bin bloà neugierig. Ich denke nicht an falsches Spiel, bloà dass ich nie ein böses Wort über sie gehört habe.« Das war geflunkert, denn solche Gedanken waren ihr sehr wohl durch den Kopf gegangen. Harrys bohrendes Nachhaken konnte ihre Freunde verärgern und ihrem Mann eine Heidenangst einjagen. Fair wusste nie, in was seine Frau als Nächstes hineingeraten würde. Mrs. Murphy, Pewter und Tucker hatten sich damit abgefunden, sie aus jedem Schlamassel herauszuziehen, in den sie stolperte.
Mrs. Benton überlegte einen Moment. »Sie war keine, die Neid oder starke Gefühle irgendwelcher Art auf sich gezogen hätte. Auf der Highschool war sie selten das Opfer von Klatsch und Tratsch, dem Mädchen in dem Alter so gerne nachgehen. Mir war das zuwider, als ich auf die Highschool ging. Ich kann mir niemanden denken, der sie nicht leiden konnte.« Sie hielt inne. »Wirklich nicht.«
»Das ist eine wunderbare Huldigung.«
»Sie hat nur einmal zu mir gesagt, und da ging es nicht um eine persönliche Abneigung, dass sie sich durch ihre Arbeit bei der 5K-Gruppe sehr für alternative Krebstherapien interessiert hat. Sie fand, manche Therapien seien völlig überflüssig, weil sie nur an den Menschen zehrten, wenn sie am verletzlichsten waren. Sie meinte, andere böten Aussicht auf Heilung, aber die Bundesregierung würde ihre Anwendung unterbinden. Manche Ãrzte seien so wütend darüber, dass sie verbotene Medikamente und Heilmethoden einsetzten. Insgeheim natürlich. Pudel selbst war entsetzt, wie pharmazeutische Firmen, Versicherungen und die Regierung die Medizin korrumpiert haben. Als ich das hörte, habe ich mich erkundigt, was sie im Krankenhaus gesehen hatte. Sie sagte, das würde sie mir später erzählen. Nun gibt es kein Später mehr.«
Harry dachte darüber nach. »Fast jedes Mal, wenn ich die Zeitung aufschlage, steht irgendein Quatsch über eine neue Krebstherapie drin. In einem Artikel heiÃt es etwa, der Verzehr von Mandeln hält Krebs in Schach â solche Sachen eben. Ich weià nie, was ich glauben soll.«
»Ich auch nicht.« Die Augen von Mrs. Benton leuchteten zum ersten Mal auf, seit sie nach Virginia gekommen war. »John und ich haben Glück gehabt. Krebs liegt bei uns beiden nicht in der Familie. Pudel hat als Kind angefangen, sich fürs Pflegen zu interessieren, als eine Freundin in der elften Klasse an Leukämie starb. Dieses Interesse hat sich mit den Jahren vertieft.«
»Sie hatte ein gutes Herz«, sagte Harry.
Mrs. Benton legte reichlich Luftpolsterfolie auf die Gläser, denn der Karton war voll. »So. Wieder einer fertig.«
»Ich sehe schon, woher Paula ihr Organisationstalent hatte. Wenn bei unseren Versammlungen jemand abgeschweift ist, sagte sie immer, âºkommen wir auf den Punktâ¹. Dann habe ich zu ihr gesagt, sie sei ein Yankee. Südstaatler haben eine Vorliebe für Geschichtchen und Abschweifungen. Trotzdem habe ich immer getan, was sie gesagt hat.«
Zum ersten Mal lachte Mrs. Benton aufrichtig. »Ich kann sie geradezu hören.«
Auf das Gelächter hin sahen BoomBoom, Alicia und Susan vom Zimmer nebenan herein. Jede von ihnen lächelte vor sich hin, weil sie glaubten, dass Lachen heilsam war. Eine Erschütterung, wie sie die Bentons erlitten hatten, würde eine Menge
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