Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
»Alles geschieht so, wie sie es vorhergesehen hat.«
Minnie reckte die Nase zur Decke und sagte: »Ich bin nur noch zum Teil von dieser Welt. Mein wahres Wesen hat sich bereits auf die geistige Ebene erhoben.«
Ich war froh, dass Mama an diesem Tag nicht um mich herumschwebte. Ich hätte sonst keine unbewegte Miene aufrechterhalten können. Natürlich hätte Mama bereits mit ihren Verwünschungen angefangen, sobald sie Veronica »Miss Minnie« hätte sagen hören.
Veronica tönte: »Und sieh mal, das wirst du kaum glauben!« Sie schlug das Hochzeitsbuch an einer anderen Stelle auf und zeigte auf eine Zeitungsannonce, die sie eingeklebt hatte. Die Anzeige war von einem Hypnosetherapeuten in Louisville. »Miss Minnie hat einen Freund, der mit Hypnose arbeitet. Ich habe Sharon zu ihm gebracht, und ich sag euch, es ist ein Wunder! Die Pfunde purzeln nur so bei ihr. Der Hypnotiseur setzt sie in einen verstellbaren Stuhl, zündet ein paar Duftkerzen an, flüstert ihr eine Weile ins Ohr, und sie geht dort raus, und es graut ihr vor allen stärkehaltigen Lebensmitteln. Das Mädchen braucht bloß ein Crouton auf ihrem Salat zu sehen, und schon rennt sie schreiend aus dem Raum.« Veronica klatschte begeistert in die Hände und setzte ein so breites Grinsen auf, dass wir jede einzelne Füllung in ihren Zähnen sehen konnten. »Jetzt passt Sharon schon fast in das Kleid, das ich für sie ausgesucht habe.«
Miss Minnie machte eine Verbeugung, um ihren jüngsten Erfolg zu bestätigen. Das Glöckchen an ihrem Turban klingelte, aber es wurde von der Türglocke des Restaurants übertönt, als Yvonne Wilson, eine von Minnies langjährigen Kundinnen, eintrat.
Yvonne war schwanger mit ihrem siebten Kind. Zwei ihrer älteren Mädchen trotteten hinter ihr her, beide dank der Leckereien aus der Donut-Heaven-Bakery, die sie mampften, von oben bis unten mit Puderzucker bestäubt. Yvonne ging schon jahrelang zu Minnie, um sich die Zukunft vorhersagen zu lassen, und sie war eine der wenigen, die dämlich genug waren, ihren Rat langfristig zu beherzigen. Minnie hatte Yvonne ein Jahrzehnt zuvor weisgemacht, dass sie ein Kind bekäme, das so schön und talentiert sein würde, dass es Yvonne und ihren Freund zu Millionären des Showbusiness machen würde. Törichterweise glaubte Yvonne Miss Minnie und fing an, ein Kind nach dem anderen herauszupressen, in Erwartung des einen, das ihnen den großen Geldsegen bescheren würde. Bei jeder Geburt rannte sie zu Minnie und fragte: »Ist es diesmal so weit?« Und jedes Mal knöpfte Minnie ihr Geld ab und eröffnete ihr dann, Carl der Großartige sage, sie solle es noch einmal versuchen. Nun hatte Yvonne sechs reizlose, untalentierte Kinder und noch immer nicht kapiert, dass Minnie sich einen üblen Scherz mit ihr erlaubte.
Yvonne kam zu Miss Minnie herüber und sagte, während sie sich über den Bauch strich: »Ich hatte letzte Nacht einen Traum, in dem dieses hier auf der Motorhaube eines goldenen Rolls Royce steppte. Ich brauche sofort eine Sitzung.«
Veronica sagte: »Geh nur vor, Yvonne, ich muss Clarice sowieso noch ein paar andere Sachen zeigen. Ich kann meine Sitzung dann nach dir wahrnehmen.«
Yvonne dankte Veronica und befahl ihren Töchtern, die sie voller Optimismus Star und Desiree genannt hatte, sich still an einen Tisch in der Nähe zu setzen und auf sie zu warten. Dann folgte sie Minnie zu der Kristallkugel in der Ecke.
Als die beiden fort waren, sagte Veronica: »Hier ist die große Neuigkeit. Sharon wird die Erste in der Stadt sein, die das Wolke-Neun-Hochzeitspaket bucht.« Sie schlug die Seite des Hochzeitsbuchs mit der Broschüre für das Veranstaltungszentrum auf. Sie löste die Broschüre aus dem Buch und zeigte uns das Bild auf der Rückseite. Es schien ein Foto eines riesigen Marshmallow zu sein, der sich durch einen Türeingang quetscht.
»Das ist die Wolke«, verkündete Veronica. »Die Hochzeitsgesellschaft kommt und geht durch eine rosa Wolke, die nach Lavendel riecht. In New York machen das alle.«
Sie erzählte uns noch mehr Details über das Wolke-Neun-Hochzeitspaket, wobei sie besonders die hohen Kosten hervorhob. Sie erläuterte uns, wie perfekt alle Aspekte der Hochzeit zeitlich aufeinander abgestimmt seien. Sie würzte ihren Bericht noch mit gehässigen Bemerkungen über die Hochzeit von Clarices Tochter, die Clarice zu überhören vorgab.
Ich hatte gerade genug von Veronicas Gefasel und wollte schon einen weiteren Versuch unternehmen, ihr das Glas Wasser
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