Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
lassen, nachdem sie und ihre Mutter das Geld, das sie für ihr Grundstück in Leaning Tree bekommen hatten, unter sich aufgeteilt hatten. Die Veranda nahm zwei Drittel ihres Gartens hinterm Haus ein und gehörte rechtmäßig eigentlich auf die Pazifikseite einer kalifornischen Villa am Meer. Die anderen Umbauten orientierten sich an Barbara Jeans großem viktorianischem Anwesen. Veronica hatte ein kleines Türmchen anbauen lassen, zwei weitere bunt gestrichene Veranden an der Hausvorderseite und einen dieser Ausgucke mit Geländer auf dem Dach. Das Ergebnis dieser Renovierungen war ein Bau, bei dem die schlimmsten Aspekte eines südkalifornischen Strandhauses und eines San Franciscoer Freudenhauses kombiniert wurden. Hinter ihrem Rücken nannte Clarice Veronicas Haus »Barbies Malibubordell«.
Mit den Worten »Sharon, da ist etwas, was ich dir sagen muss«, schwand die unbeschwerte gesellige Atmosphäre. Nachdem Clarice Veronica und Sharon davon erzählt hatte, wie sie und Odette Clifton Abrams nackt mit einer anderen Frau in ihrer Gartenlaube erwischt hatten, wurde sie von beiden als Lügnerin beschimpft. Dann fing Veronica an auf der Veranda auf und ab zu stapfen, und ihre schweren Schritte hallten wie Hammerschläge auf den Balken aus Rotholz wider.
Sie begann, eine Liste von Vergehen herunterzubeten, die Clarice ihr – Veronica – gegenüber all die Jahre begangen habe. Sie begann im Jahr 1960 und arbeitete sich dann vor, indem sie akribisch aufzählte, welches Unrecht Clarice ihr in welchem Jahrzehnt angetan hatte. Das abscheulichste Verbrechen, sagte Veronica, sei jedoch gewesen, dass Clarice sie immer auf Abstand gehalten hatte, während sie Odette und Barbara Jean sogar in aller Öffentlichkeit umarmte, als seien sie ihre Schwestern. »Wenn du mich fragst, sagt es viel über deinen Charakter aus, dass du deiner eigenen Familie den Rücken kehrst, für eine unflätige, fette Klugscheißerin und die Tochter einer Hure.«
Sharon machte: »M-hm!«
Clarice wusste aus eigener Erfahrung, dass es für eine junge, verliebte Frau tröstlich sein konnte, den Kopf in den Sand zu stecken. Anstatt sich also direkt an Sharon zu wenden, sagte sie zu Veronica: »Die Beziehung zwischen Sharon und Clifton hat sich doch recht überstürzt ergeben. Ich sage ja nur, dass es da Dinge gibt, die sie noch nicht von ihm weiß, und ich bin der Meinung, dass sie sie erfahren soll, bevor sie heiratet.«
Veronica kreischte: »Minnie hat mich gewarnt, dass du versuchen wirst, uns die Sache zu ruinieren. Ich wette, es hat dir schon seit Monaten in den Fingern gejuckt, dieses Register zu ziehen. Du erträgst es einfach nicht, wenn mal jemand anderes außer dir im Mittelpunkt steht. Es muss sich immer alles um dich drehen!« Sie leierte herunter: » Clarice und ihr Klavier. Clarice und ihr Footballstar. « Dann hustete sie ein gehässiges Lachen heraus und sagte: »Du bist gerade die Richtige, um jemandem Eheratschläge zu geben. Wieso fragen wir nicht Richmond, wie er es fand, dass er bei dir immer erst an dritter Stelle nach den Supremes kam?« Sie legte den Finger ans Kinn und tat so, als würde sie scharf nachdenken. »Ach ja, wir können ihn ja gar nicht fragen. Er hat dich ja rausgeschmissen. Ist doch so, oder, Frau Eheexpertin?«
Clarice wandte sich an Sharon: »Ich bin wirklich nicht hergekommen, um dich zu verärgern oder Probleme zu machen.« Sharon reagierte mit einem skeptischen Schnauben. »Die Sache ist die, ich bin tatsächlich eine Expertin auf diesem Gebiet. Ich weiß, was es heißt, mit einem untreuen Mann zu leben. Und der einzige Grund, warum ich hier bin und dir das sage, ist, weil du mir am Herzen liegst und ich nicht möchte, dass du das Gleiche durchmachen musst wie ich.«
Veronica stemmte die Hände in die Hüfte und neigte den Kopf zur Seite. »Weil dir Sharon ja so am Herzen liegt, werde ich dich nicht von der Hochzeit ausladen. Aber deine Dienste als Hochzeitsplanungsassistentin werden nicht länger gebraucht. Und jetzt möchte ich sofort das Hochzeitsbuch zurück, vielen Dank.« Sie streckte theatralisch die Arme aus, mit den Handflächen nach oben, als glaube sie, Clarice hätte den zehn Kilo schweren Schinken in einer ihrer Taschen versteckt und müsse ihn bloß rausholen, um ihn ihr auszuhändigen.
Als Clarice sie darauf hinwies, dass sie das Buch nicht bei sich habe, sagte Veronica: »Na gut, du kannst es mir später bringen. Lass es einfach auf der Eingangstreppe liegen, wenn ich bitten darf. Ich
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