Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
Gesprächsthema Nummer eins unter den weiter eintrudelnden Hochzeitsgästen. Erma Mae und Little Earl betraten den Garten direkt nach den Supremes, und beide fächelten sich mit den Händen hektisch Luft zu. Erma Mae murrte: »Eine Hochzeit im Freien und das im Juli. Clarice, deine Cousine will uns wohl alle umbringen.«
Erma Mae trug einen winzigen lila Strohhut, der Clarice ganz gut gefiel. Aber dieses Hütchen spendete ihrem großen, runden Kopf natürlich kein bisschen Schatten. Erma Maes Wangen und Ohren brieten in der Nachmittagssonne. Auf dem Weg zu ihren Plätzen verfluchte sie Veronica weiter.
Um Odette jederzeit umsorgen zu können, schleppte James bereits den ganzen Sommer über eine riesige Kühltasche voll mit Vorräten für alle Fälle mit sich herum. Als die Supremes und ihre Ehegatten den Steinweg, der den Garten in zwei Hälften teilte, entlanggeschritten waren und auf den knarrenden weißen Holzstühlen Platz genommen hatten, wühlte James in der Tasche. Er nahm fünf gekühlte Wasserflaschen und zwei kleine batteriebetriebene Ventilatoren heraus. Er reichte seinen Freunden je eine Flasche und gab Barbara Jean und Odette die Ventilatoren. James erntete herzliche Dankesbekundungen, und Richmond entschuldigte sich, weil er James die letzten Wochen immer damit aufgezogen hatte, dass er eine Handtasche mit sich herumtrug.
Erfrischt vom kühlen Wasser und dem leichten Windhauch der winzigen Ventilatoren, die sie unter sich herumreichten, riskierten Barbara Jean und Clarice eine kleine Tour durch den Garten, um die Blumen näher zu betrachten. Sie steuerten auf das nächstgelegene Beet zu, blieben jedoch ein paar Schritte davor stehen, als sie bemerkten, dass sie nicht die einzigen Bewunderer der Blumenpracht waren. Dutzende Bienen schwebten in trägen Bögen von Blüte zu Blüte – eine malerische Sommerszene, die man am besten aus sicherer Entfernung betrachtete. Als sie sich später darüber unterhielten, stimmten sie überein, dass die Bienen ein schlechtes Omen gewesen seien.
Die beiden uniformierten Angestellten, die den Gästen die Flügeltür zum Garten aufgehalten hatten, tauchten wieder auf, und jeder der beiden trug einen schwankenden elektrischen Standventilator vor sich her. Als sie die Ventilatoren in zwei gegenüberliegenden Ecken des rechteckigen Sitzbereichs aufgestellt und angeschaltet hatten, klatschte die Menge Beifall. Doch der Effekt war ein vorwiegend psychologischer. Schwüle, vierzig Grad heiße Luft war immer noch schwüle, vierzig Grad heiße Luft, auch wenn sie leicht aufgewirbelt wurde. Aber an diesem Tag war schon der leiseste Windhauch ein Grund zum Jubeln.
Die lästige Fahrstuhlmusik, die aus in den Blumenbeeten versteckten Lautsprechern drang, verstummte. Die hübsche Rothaarige, die alle am Eingang in Empfang genommen hatte, betrat den Garten und bat die Gäste, Platz zu nehmen, damit die Zeremonie beginnen konnte. James schaute auf seine Uhr und nickte beifällig. »Genau pünktlich.«
Aus den Lautsprechern erschallte wieder Musik. Diesmal war es Pachelbels Kanon in D-Dur. Clarice murrte: »Wie fantasielos kann man sein?« Dann schalt sie sich selbst für ihre Boshaftigkeit.
Wieder öffnete sich die große Eichentür, und Reverend Briggs trat heraus. Ihm folgten Clifton Abrams und seine Trauzeugen – Cliftons Bruder, der Schuhfreak, und zwei zwielichtige Kerle mit unstetem Blick. Vorn am Altar angekommen, lümmelten die Trauzeugen in ihren geliehenen, schlecht sitzenden Fracks mit aufeinander abgestimmten smaragdfarbenen Kummerbunden und Fliegen krumm unter dem von chartreusegrünen Nelken völlig überladenen Hochzeitsbogen. Hinter ihnen spie ein Springbrunnen in der Form eines gigantischen Fisches Wasser in die klebrigschwüle Luft.
Odette beugte sich zu Clarice und sagte: »Ist das eine Hochzeit oder eine Gegenüberstellung auf dem Polizeirevier?« »Du bist einfach schrecklich«, schimpfte Clarice, obwohl sie gerade genau dasselbe gedacht hatte.
Die Flügeltüren öffneten sich erneut, und Veronicas Mutter schritt am Arm des Gatten ihrer Lieblingsenkelin heraus, einem korpulenten jungen Mann, der alle paar Sekunden den Arm hob, um sich mit der freien Hand den Schweiß von der Stirn zu wischen. Glorys Kleid war nicht gerade vorteilhaft, doch wenigstens ihr schien die Hitze nichts anhaben zu können. Tatsächlich wirkte sie viel gesünder und munterer als beim letzten Mal, als Clarice sie gesehen hatte. Glory und Clarices Mutter, die Plainview boykottierte,
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