Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
währte dieser eindrucksvolle Moment jedoch nicht allzu lang. Während Sharon sich jaulend ihrem Bräutigam näherte, tauchte am Himmel ein dunkler Schatten auf, der Richtung Tauben niedersauste. In einer Szene, die an eine Dokumentation aus dem Reich der wilden Tiere erinnerte, packte ein riesiger graubrauner Falke eine der Tauben aus der Formation und zischte dann mit dem weißen Tier in den Fängen davon. Der Vogeltrainer fing an, wie wild in seine Pfeife zu blasen, wahrscheinlich um die übrigen elf Vögel in ihren Käfig zurückzurufen. Doch die Tauben erhoben sich immer höher in die Lüfte, denn sie hatten bereits einen zweiten Falken gewittert. Dieser stieß dann auch nur Sekunden später auf sie herab und reduzierte ihre Zahl auf zehn.
Die verbleibenden Tauben kehrten laut kreischend zu ihrem Dresseur zurück, der sie in einem großen Käfig in Sicherheit brachte, den er dann hastig aus dem Garten schaffte. Doch das tragische Schicksal der zwei verlorenen Tauben offenbarte sich den Versammelten anhand von weißen Federn, die träge von einem hohen Ahornbaum jenseits der Gartenmauer schwebten. Die eine oder andere wurde in den Garten geweht und dabei vom roten Licht des Lasers angestrahlt, der »Sharon und Clifton« in den Himmel projizierte und den Federn eine gruselig blutige Färbung verlieh.
Völlig schockiert unterbrach Sharon ihren Gesang und legte zusammen mit ihrem Vater den restlichen Weg zum Altar zur Instrumentalversion des Liedes zurück.
Reverend Briggs versuchte, die Zeremonie wieder auf Kurs zu bringen, und eröffnete seine Ansprache mit einem kurzen Verweis auf den unerbittlichen Kreislauf des Lebens. Dann gelang ihm eine kunstvolle Überleitung zu seiner vorbereiteten Rede.
Doch auch die Ausführungen des Pastors konnten, wie so vieles an diesem Tage, nicht zu Ende geführt werden. Kurz nachdem Reverend Briggs seine Rede begonnen hatte, flogen mit einem lauten Quietschen die großen Eichentüren zum Garten erneut auf. Alle Gäste wandten die Köpfe nach hinten, in der Hoffnung etwas von der kühlen Luft abzubekommen, die für einen Moment aus dem Inneren des Gebäudes strömte. Zwar erhaschte keiner die erhoffte Kühlung, stattdessen jedoch einen weiteren Blick auf die rosa Wolke. Dann erkannten sie vier uniformierte Polizisten, die aus dem Nebel auf den Steinweg traten. Die Polizisten schienen sichtlich betreten, als die Türen sich wieder hinter ihnen schlossen und sie merkten, dass sie von hunderten von Hochzeitsgästen neugierig angestarrt wurden. Sie traten zu einer Seite, in dem Versuch, weniger aufzufallen, doch man hatte sie gesehen, und der Effekt ihres Auftritts folgte unmittelbar.
Einer der Trauzeugen rief: »Das sind die Bullen, Mann!« Daraufhin nahmen er und der schmierige Typ neben ihm rennend Reißaus. Die beiden Trauzeugen hechteten über Sträucher und Gebüsch und entkamen schließlich durch einen Notausgang aus dem Garten. Doch das unsachgemäße Öffnen dieser Tür löste einen Alarm aus, und schon wurde die stehende Luft von einem schrillen Heulen erfüllt.
Clarice wandte sich an ihre Freundinnen und sagte: »Ich weiß ja nicht, wie ihr dazu steht, aber ich ziehe dieses Geräusch dem Singen der Braut vor.«
Odette und Barbara Jean nickten zustimmend.
Die Polizei nahm gar nicht erst die Verfolgung der Trauzeugen auf. Sie stürzten sich direkt auf den Bräutigam. Clifton Abrams reagierte umgehend, indem er Reverend Briggs aus dem Weg schubste und sich durch die Teerosen und über ein Blumenbeet davonmachte. Er versuchte, über ein Clematisspalier, das an der Gartenmauer angebracht war, zu entkommen, und kletterte daran hoch. Doch die Polizisten waren ihm dicht auf den Fersen. Sie packten ihn an den Fußgelenken, bevor er es über die Mauer schaffte, und zerrten ihn in einem heftigen Handgemenge in ein Rudbeckien-Beet.
Florence Abrams stieß einen spitzen Schrei aus und fiel in Ohnmacht. Als sie am Boden lag, war das Einzige, was noch von ihr zu sehen war, wieder ihre Füße, die zwischen den Flammenblumen herausragten. Clarice sagte: »Du hast recht, Odette, das sind wirklich ganz reizende Schuhe.«
Die Polizisten legten Clifton Handschellen an und führten ihn ab. Sharon folgte ihnen und heulte: »Clifton! Clifton!«
Klein-Latricia, die die Situation zu verkennen schien, hüpfte hinter Sharon her und schleuderte grüne Blütenblätter in die Luft.
»Dieses Kind braucht wirklich Hilfe«, stellte Odette trocken fest.
Veronica ließ eine Schimpftirade los, wie
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