Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
Du hast ’nen One-Night-Stand aus mir gemacht. Nein, noch schlimmer. In Wahrheit hast du mich glauben lassen, dass wir zusammen sind. Meine Fresse. Ich bin nicht dein One-Night-Stand; ich bin deine Geliebte.« Er schlug sich mit der Hand an die Stirn und schüttelte den Kopf.
»Ramsey hat immer zu mir gesagt: ›Kumpel, Clarice dreht dich zu ’ner halben Frau um, wenn du ihr auch nur die geringste Chance dazu gibst.‹ Und nach vierzig Jahren ist es tatsächlich dazu gekommen.«
Noch immer kichernd schob Clarice ein Bein über ihn und setzte sich rittlings auf ihn. »Wir müssen es Ramsey ja nicht erzählen. Es kann doch unser schmutziges kleines Geheimnis bleiben.« Dann küsste sie ihn stürmisch.
Er blieb noch eine Stunde.
Als er später an diesem Vormittag ging, sagte sie ihm, sie werde ihn anrufen, damit sie bald mal wieder zusammen Abendessen könnten. An der Tür gab sie ihm noch einen Klaps auf seinen festen, runden Hintern und küsste ihn zum Abschied.
Nachdem sie den Wasserkocher angeschaltet und Brot in den Toaster gesteckt hatte, las Clarice noch einmal den Brief, den Richmond ihr am Abend zuvor gebracht hatte. Sie dachte sich, wenn es so war, eine Geliebte zu haben – eine Nacht voll wohlüberlegter Geschenke und gutem Sex –, dann ergab Richmonds Verhalten während der letzten Jahrzehnte plötzlich viel mehr Sinn für sie.
34
Sharons Hochzeit fand am heißesten Tag statt, den Southern Indiana seit zwanzig Jahren erlebt hatte. Der Frühling war in diesem Jahr früh angebrochen, und der Trend der Rekordtemperaturen, der im Februar begonnen hatte, hatte bis zum Sommer angehalten. An diesem Nachmittag ging das Quecksilber hoch bis auf vierzig Grad, und die schwüle Feuchtigkeit war entsetzlich. Nur Richmond schnaufte nicht vor Anstrengung, als sie die leichte Steigung erklommen, die vom Parkplatz zum Garden-Hills-Veranstaltungszentrum führte. Die Supremes und James fingen schon nach wenigen Metern an, nach Luft zu schnappen. Der Weg wurde noch dadurch erschwert, dass der Teer durch die hohe Temperatur klebrig wurde, also mussten sie sich schon anstrengen, um überhaupt die Füße vom Boden zu bekommen.
Sie blieben vor der Eingangstreppe von Garden Hills stehen, um die enormen Ausmaße des Gebäudes auf sich wirken zu lassen. Das Foto in Veronicas Hochzeitsbuch war ihm nicht gerecht geworden. Das Gebäude war bestimmt einen halben Häuserblock breit. Die riesigen weißen Säulen, die die Terasse im oberen Stockwerk stützten, die sich über die gesamte Breite des Gebäudes erstreckte, waren wuchtiger, als das Foto verraten hatte. Nichts sonst in der Stadt, abgesehen von den größeren Gebäuden auf dem Universitätsgelände, hatte annähernd diese Größe.
Das Veranstaltungszentrum war Teil des »anderen Plainview«, des Plainview, das diejenigen, die dort aufgewachsen waren, nicht mehr wiedererkannten. Diese imposante Hommage an den Neoklassizismus gehörte zu der neuen Stadt, die von der Universität und von den neuen Anwohnern von Plainview errichtet wurde. Von den Leuten, die in Louisville arbeiteten und wenig von der Stadt sahen, was abseits der Strecken zwischen ihren aufgeblähten Häusern und den teuren Fachgeschäften des modernen Leaning Tree lag. Alle, die sich vor dem Gebäude versammelten, dachten dasselbe. Sie wurden zu Fremden in ihrer eigenen Stadt.
»Das sieht ja aus wie aus Vom Winde verweht «, sagte Barbara Jean.
Clarice schnippte mit den Fingern. »Das ist es. Ich habe mich gefragt, an was mich dieser Ort hier erinnert, und das ist es. Es ist Tara wie durch einen Zerrspiegel betrachtet. Was für ein Anblick.«
Odette sagte: »Würde mir bitte irgendwer erklären, warum ein schwarzes Paar, das auch nur einen Funken Selbstachtung hat, sich in einem Gebäude trauen lässt, das genauso gut auf einer Baumwollplantage stehen könnte? Das ist doch bizarr.«
Barbara Jean schüttelte den Kopf. »Ich sag euch, man fordert das Schicksal heraus, wenn man nicht in einer Kirche heiratet. Jeder weiß doch, dass das Unglück bringt.«
»Meine Rede«, sagte Clarice.
Zwei junge Männer, die gerade aus dem Gebäude kamen, gafften Barbara Jean an, als sie vorbeigingen. Clarice und Odette gaben ihrem Urteil im Stillen recht. Barbara Jean sah fantastisch aus. Die Farbpalette ihrer Garderobe war in den letzten Monaten etwas gedämpfter geworden. Sie hatte sich nicht wirklich in ein Mauerblümchen verwandelt, aber die Tage der wilden Outfits schienen vorüber. Und es war nicht nur ihre
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