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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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kümmern soll, wenn ihm danach ist. So wie es jeder andere anständige, gottesfürchtige Ehemann in Amerika macht. Sag’s ihm, Odette.«
    Natürlich hätte ich Richmond nichts dergleichen gesagt, selbst wenn ich gekonnt hätte. Es gibt eben Dinge, die nicht einmal ich aussprechen würde.
    Es stellte sich heraus, dass selbst die Toten noch etwas zu beichten hatten. An meinem dritten Tag im Krankenhaus besuchte mich Lester Maxberry. Das heißt, eigentlich kam er, um Barbara Jean zu sehen, die mich besuchte. Er schlenderte in einem orangenlimonadefarbenen lässigen Sommeranzug in mein Zimmer. Die Hosenbeine endeten auf Kniehöhe, und er trug Socken und Wildleder-Espandrilles in demselben hellblauen Farbton seines alten Cadillac.
    Barbara Jean saß auf dem Besucherstuhl, während James neben mir auf dem Bett hockte. Auf der Intensivstation waren zwei Besucher gleichzeitig erlaubt, aber seltsamerweise gab es bloß einen Stuhl. Als die Fächertänzerin umringt von sechs Familienmitgliedern verstorben war, hatte ich jedoch beobachtet, dass sie die Nur-zwei-Besucher-Regelung lockerten, wenn jemand im Sterben lag. James und Barbara Jean redeten über meinen Zustand, das Wetter und über die neue ehrenamtliche Arbeit, die meine Freundin übernommen hatte. Sie übte mit den bedürftigen Kindern aus den kleinen Dörfern in den Hügeln rund um Plainview lesen. »Der Tag hat so viel mehr Stunden, wenn man nicht mehr trinkt«, sagte sie.
    Während sie sich unterhielten, ergriff ich die Gelegenheit, mit Lester zu reden. »Hallo, Lester«, sagte ich zu ihm, »du siehst blendend aus.«
    »Danke, Odette. Kleider machen Leute, weißt du.«
    »Nee, genau anders herum, mein Freund. Geht’s dir gut soweit?«
    Lester nickte, aber in Wirklichkeit schenkte er mir gar keine Beachtung. Er betrachtete Barbara Jean mit derselben Zuneigung und Sehnsucht, die er auch für sie empfunden hatte, als er noch lebte. »Sie ist noch immer das Bezauberndste, was ich je gesehen habe. Und in den letzten elf Monaten habe ich so manche unglaubliche Sachen gesehen.«
    »Ist es schon so lange her, Lester? Glaub mir, es fühlt sich so an, als sei es erst gestern gewesen, dass wir noch alle sechs zusammen im All-You-Can-Eat gesessen haben.«
    »Ja, die Zeit vergeht, was? Es ist schon fast ein Jahr her.«
    Er starrte Barbara Jean weiter an. »Ich hätte sie nie heiraten dürfen.«
    »Warum sagst du so was?«
    »Es war nicht richtig. Sie war praktisch noch ein Kind und ich ein erwachsener Mann. Ich hätte es besser wissen müssen. Ich wusste es besser. Aber als ich sah, wie verzweifelt sie wegen des Kindes war, konnte ich nicht anders. Ich habe mir gesagt, es ist okay, und dass sie mich mit der Zeit schon lieben würde.«
    »Ich bin mir sicher, so war es auch, Lester.«
    »Vielleicht, aber in erster Linie war sie mir dankbar. Und Dankbarkeit ist keine gute Grundlage für eine Ehe. Ich war alt genug, um das zu wissen. Sie nicht. Odette, ich habe mir deshalb jeden Tag, den wir zusammen verbracht haben, Vorwürfe gemacht, aber trotzdem habe ich weiter an ihr festgehalten.«
    »Hast du ihr das je gesagt?«
    »Nein«, antwortete er. Dann grinste er mich an. »Aber du kannst das machen. Wenn du das nächste Mal mit Barbara Jean redest, sag ihr bitte, dass es mir leidtut, und dass ich stärker hätte sein müssen. Tust du mir den Gefallen?«
    Nur einen mehr als perfekten Gentleman und hochmoralischen Menschen wie Lester konnte so etwas jahrzehntelang umtreiben. Jeder andere Mann hätte gesagt »Im Krieg und in der Liebe ist alles erlaubt« und dann den Rest seiner Tage damit angegeben, wie er es geschafft hatte, das schönste Mädchen der Stadt zu seiner Frau zu machen. Ich sagte Lester, dass ich aus verlässlicher Quelle, medizinischer sowie jenseitlicher Art, wisse, dass ich in diesem Leben höchstwahrscheinlich nie mehr mit Barbara Jean sprechen würde. Aber er bestand so lange darauf, bis ich ihm versprach, dass ich es ihr sagen würde, wenn ich noch einmal die Gelegenheit dazu bekäme. Er dankte mir und ging dann wieder dazu über, Barbara Jean still zu betrachten.
    Am nächsten Morgen kam Chick Carlson vorbei und verursachte einen noch größeren Wirbel auf der Intensivstation als Richmond am Tag zuvor. Die Krankenschwestern, alles gestandene Frauen, fächelten sich Luft zu und taten so, als sänken sie ohnmächtig an die Schultern ihrer Kolleginnen, nachdem er an ihnen vorbeigegangen war. Als er mein Zimmer betreten hatte, musterte ihn Mama von oben bis unten und

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