Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
Vom Netzwerk:
Pastor der Calvary Baptist, Reverend Peterson, brüllte seine Gemeinde jede Woche an, dass Gott aufgrund einer langen Liste von Verfehlungen, die sie begangen hatten, wütend auf sie wäre und dass der Allmächtige über ihre Gedanken sogar noch erzürnter sei. Wenn bei jemandem, der die Calvary-Baptist-Kirche verließ, die Laune nicht im Keller war, bedeutete dies, dass er nicht zugehört hatte.
    In meiner Kirche, der Holy-Family-Baptist, bestand die einzige verbindliche Regel darin, dass jeder zu jedem nett sein sollte. Aber diese Ansicht war viel zu lax für die Calvary-Gemeinde, und es brachte ihre Mitglieder auf die Palme, dass wir keine härtere Linie gegen die Sünde und die Sünder verfolgten. Von Barbara Jeans Kirche, der First Baptist, war die Calvary Baptist ebenso empört, denn deren Mitglieder stellten ihre Liebe zu Gott durch wohltätiges Engagement und damit unter Beweis, dass sie sich jeden Sonntag herausputzten, als ginge es für sie auf den Laufsteg. Ein alter Witz besagte, dass die Holy-Family-Kirche die Frohe Botschaft und die Calvary-Kirche die Hiobsbotschaft verkündete.
    Doch Clarice fing nicht an, aus dem Katalog über all die Arten, auf die Minnie sie verärgerte, zu rezitieren. Ein Blick aus dem Fenster eröffnete ihr etwas Neues, über das sie sich beschweren konnte. Sie zeigte hinaus und sagte: »Da sind Barbara Jean und Lester. Also, sie sollten wirklich anrufen, wenn sie sich so sehr verspäten. Man macht sich doch Sorgen, das ist wirklich nicht in Ordnung.«
    Clarice ging es hauptsächlich darum, Dampf abzulassen, aber sie hatte nicht ganz unrecht. Die Sommerhitze verschlimmerte die zahlreichen gesundheitlichen Probleme, die Lester belasteten. Und davon gab es eine ganze Liste. Herz, Lunge, Leber, Nieren – eigentlich war es um alles, was sich noch in Lesters Körper befand, schlecht bestellt. Oft erschienen er und seine Frau eine gute Stunde zu spät beim Essen, weil sie hatten anhalten müssen, damit Barbara Jean eines von Lesters lebenswichtigen Organen mit einem Mittel aus der portablen Klinik wieder in Gang bringen konnte, die sie immer in ihrer Handtasche mitführte.
    Also stellte ich, als ich mich umdrehte und Barbara Jean und Lester Maxberry dabei beobachtete, wie sie auf das Restaurant zukamen, überrascht fest, dass Lesters Schritt viel dynamischer wirkte als gewöhnlich. Lester, der einen weißen Anzug mit passendem Fedorahut trug, ging aufrecht, und er stützte sich nur leicht auf seinen elfenbeinernen Gehstock. Sein Schritt war ausgreifend auf eine fast militärische Art, wie immer, wenn er sich frisch und munter fühlte. Diesmal war es Barbara Jean, die langsam daherschlurfte und bei jedem Schritt das Gesicht verzog.
    Sie trug ein eng anliegendes hellgelbes Kleid und einen gelben Hut mit mindestens neunzig Zentimeter breiter Krempe. Ihre Waden steckten in modischen weißen Stiefeln mit fast zehn Zentimeter hohen Absätzen. Selbst aus dieser Entfernung konnte ich sehen, dass die Schuhe ihr Schmerzen bereiteten. Bei jedem Schritt zogen sich Barbara Jeans Mundwinkel ein bisschen weiter nach unten, und von Zeit zu Zeit blieb sie ganz stehen, um tief durchzuatmen, bevor sie tapfer weitermarschierte.
    Clarice sagte: »Oh, in Gottes Namen, jetzt sieh sich das einer an!« Sie zeigte auf unsere näherkommende Freundin. »Kein Wunder, dass sie so spät sind. Sie trägt mal wieder dieses gelbe Kleid. Das Ding ist so eng, dass sie kaum Luft bekommt und schon gar keinen vernünftigen Schritt machen kann. Und schaut euch die Schuhe an, in denen sie zu laufen versucht. Die Absätze sind ja mindestens fünfzehn Zentimeter hoch. Ich sag dir, Odette, Barbara Jean muss endlich akzeptieren, dass sie keine Zwanzig mehr ist. Sie kann jetzt nicht mehr dieselben Sachen tragen wie als junge Frau. Das schickt sich einfach nicht. Wir sollten wirklich mal ein Wörtchen mit ihr reden. Da muss man dringend einschreiten.« Sie lehnte sich in ihrem Stuhl zurück und verschränkte die Arme vor der Brust.
    Aber Clarice würde zu Barbara Jean nie ein Wort darüber verlieren, wie sie sich kleidete, das wussten wir beide. Genauso wenig wie sie und Barbara Jean mir ins Gesicht sagen würden, dass ich fett sei, und Barbara Jean und ich Clarice nicht mit der Nase darauf stoßen würden, dass ihr Mann ein räudiger Hund war. Das war Teil der freundschaftlichen Rücksichtnahme, die mit der Mitgliedschaft bei den Supremes einherging. Wir sahen über die Fehler der anderen hinweg und behandelten uns gegenseitig

Weitere Kostenlose Bücher