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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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gut, auch dann, wenn wir es nicht verdienten.
    Wenn Clarice sich so aufführte, dann war es immer auf eines zurückzuführen: Richmond. Wenn er nichts Gutes im Schilde führte, dann wuchsen Clarice Reißzähne, die ihren Mund mit Bitterkeit füllten. Meistens schluckte sie das beißende Gift hinunter, aber manchmal sickerte etwas davon heraus.
    »Eins sag ich dir«, nörgelte sie weiter, »mich würdest du nicht mal tot in so einem Kleid erwischen.« Clarice war nicht annähernd so dick wie ich, aber eher kräftig gebaut, ganz gleich wie viele Hungerkuren sie machte. Wenn eine von uns beiden jemals auf die wahnwitzige Idee käme, sich in Barbara Jeans heißes, winziges Kleidchen zu zwängen, dann wäre uns der Erstickungstod so gut wie sicher.
    Das Einzige, was mir an Barbara Jeans und Lesters Aufmachungen nicht gefiel, war, dass sie meinen Magen knurren ließen. Ich war wie ausgehungert, und sie in ihrem gelben Kleid, zusammen mit ihm in dem cremefarbenen Anzug, erinnerten mich an ein Stück Zitronenbaisertorte.
    Die Wahrheit war, Barbara Jean sah immer toll aus, ganz gleich was sie anhatte. Sie war schon das hübscheste Mädchen der Schule gewesen, und später wuchs sie zu der schönsten Frau heran, die ich je gesehen hatte. Selbst jetzt, im mittleren Alter, konnte man den Blick nur schwer von ihr wenden. Jeder einzelne ihrer Gesichtszüge war eindrucksvoll und exotisch. Barbara Jeans Anblick brachte einen auf den Gedanken, dass Gott vielleicht doch ein großartiger alter Meister war, der sich eines Tages dazu entschlossen hatte, all seine schönsten Schöpfungen zu vereinen und etwas zu erschaffen, das all seine anderen Werke in den Schatten stellt. Leider hatte Gott es dabei versäumt, die Männer auf dieses Kunstwerk vorzubereiten. Angesichts der Schönheit meiner Freundin hatten die Männer von jeher sehr schlechtes Benehmen ihr gegenüber an den Tag gelegt, und da die Welt ungerecht ist, hatte Barbara Jean oftmals den Preis dafür bezahlt.
    Lester und sie betraten das All-You-Can-Eat und brachten einen Schwall heißer Luft mit sich, der den schwachen Hauch der Klimaanlage, die über dem Eingang vor sich hinbrummte und -stotterte, schnell übertrumpfte. Die Leute, die in der Nähe der Tür saßen, schauten Lester an, als würden sie ihm am liebsten ordentlich eins mit dem Gehstock überziehen, den er dazu verwendete, seiner Frau die Tür aufzuhalten. Denn die hinkte ihm aufgrund ihrer unpraktischen Garderoben- und Schuhwerkauswahl einige Schritte hinterher.
    Barbara Jean kam an den Tisch gehumpelt und murmelte Entschuldigungen. »Tut mir leid, wir sind zu spät. Die Frühmesse ging ziemlich lang heute«, sagte sie, als sie sich hinsetzte, unter dem Tisch sofort den Reißverschluss ihrer Stiefel öffnete und vor Erleichterung seufzte.
    Clarice unterbrach sie und sagte: »Lasst uns essen.« Dann erhob sie sich von ihrem Stuhl und marschierte zum Warmhaltetisch hinüber.
    Die Männer folgten Clarice zum Büffet, während ich wartete, bis Barbara Jean sich wieder in ihre Stiefel gequetscht hatte. Als sie so weit war, stellten auch wir uns in die Essensschlange. Auf dem Weg dorthin beugte sich Barbara Jean zu mir und flüsterte mir ins Ohr: »Hat Richmond wieder losgelegt?«
    »Ich schätze schon«, erwiderte ich.
    Wir nahmen uns Teller von den Drehplatten am vorderen Ende der vier Warmhaltetische – einer für die Hauptspeisen, zwei für Beilagen und der vierte für die Nachspeisen. Dann machte jeder von uns das, was er jede Woche machte. Mein dürrer James häufte sich von allem etwas auf den Teller. Richmond versteckte Essen, das aufgrund seiner Diabetes eigentlich tabu für ihn war, unter Bergen aus grünen Bohnen und gebratenen Karotten. Lester aß den Seniorenteller, also leicht zu kauende Gerichte, angereichert mit extra vielen Ballaststoffen. Clarice hatte sich nichts Frittiertes mehr gegönnt, seit sie achtundzwanzig war, und auch heute machte sie da keine Ausnahme. Sie aß klitzekleine Portionen fettarmer Speisen. Aus Rücksicht auf Clarice nahm sich auch Barbara Jean, die eigentlich essen konnte, was sie wollte, ohne je auch nur ein Pfund zuzunehmen, nur fettarmes Essen, damit es nicht so aussah, als wolle sie Clarice den Unterschied ihrer beider Stoffwechsel unter die Nase reiben. Ich unterteilte meinen Teller wie immer ausgewogen in eine Hälfte mit Hauptgerichten und eine mit Nachspeisen. Gemüse nimmt einfach zu viel Platz auf einem einzigen kleinen Teller ein.
    Als wir am Ende des Büffets angelangt

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