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Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)

Titel: Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Edward Kelsey Moore
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waren, kehrten die Männer sofort an unseren Tisch zurück. Wir drei Frauen blieben stehen, um Little Earl und Erma Mae zu begrüßen, die aus der Küche gekommen waren und nun Seite an Seite auf den Hockern am hinteren Ende des letzten Warmhaltetisches saßen.
    »Hallo, Little Earl«, sagte ich. »Hallo, Erma Mae.«
    Sie antworteten gleichzeitig: »Hallo, Supremes.«
    Ich erkundigte mich nach ihrem Befinden, ihren Kindern und nach Erma Maes betagter Mutter. Ich fragte Little Earl nach Neuigkeiten über seine Schwester Lydia und ihren Mann, die in Chicago ein Lokal betrieben, das fast identisch zum All-You-Can-Eat war. Nachdem ich mich versichert hatte, dass all diese Leute wohlauf waren, kam ich endlich zu der Frage, auf deren Beantwortung ich wirklich brannte.
    »Wie geht es deinem Vater, Little Earl?«, erkundigte ich mich und versuchte, es so beiläufig wie möglich klingen zu lassen.
    »Oh, dem geht’s prima. Achtundachtzig nächsten Monat, und ich wette, er überlebt uns noch alle. Er dürfte auch bald hier sein. In letzter Zeit verschläft er manchmal, aber er würde nie einen ganzen Arbeitstag verpassen, so viel ist sicher.«
    »Und schon gar nicht an einem Sonntag«, fügte Erma Mae hinzu und machte eine Kopfbewegung zu Minnies leerem Wahrsagetisch hinüber. Sie sagte das an Clarice gerichtet, denn was Minnie betraf, waren die beiden Gleichgesinnte.
    In diesem Moment ging mit einem lauten Schaben die Lokaltür auf. Little Earl blickte mit einem Ausdruck kindlicher Erwartung zur Tür, als hätte das bloße Sprechen über ihn seinen Vater herbeigezaubert. Aber es war nicht Big Earl, der das Restaurant betrat. Stattdessen stand Minnie McIntyre auf der Schwelle, hielt die Tür auf und ließ einen schwülen Luftzug in den Raum. Die Gäste in der Nähe stöhnten vor Unbehagen auf und starrten sie böse an.
    Minnies Kostüm des Tages bestand aus einer dunkellilafarbenen Robe, die mit denselben astrologischen Zeichen verziert war, die auch die Tischdecke ihres Ecktisches schmückten. Sie trug goldene Pantoletten im orientalischen Stil mit hochgebogener Spitze, eine Halskette aus zwölf bunten Glasklumpen, die jeder einen Geburtsstein darstellten, und einen weißen Turban, an dessen Vorderseite ein silbernes Glöckchen baumelte. Die Glocke, behauptete sie, war dafür da, dass Carl der Großartige daran klingeln konnte, immer wenn er eine Nachricht für sie hatte. Darin war er sehr konsequent. Carl klingelte jedes Mal, wenn Miss Minnie den Kopf senkte, um das Geld ihrer Kunden zu zählen.
    Minnie betrat das Restaurant mit ausgreifenden, besonnenen Schritten, wobei sie die Arme mit den Handflächen nach oben ausgebreitet hielt.
    Little Earl verließ seinen Hocker und passte sie an der Registrierkasse ab. »Minnie, bitte, wir haben das doch besprochen. Ich kann dich an den Sonntagen einfach nicht deine Sitzungen hier abhalten lassen. Sonst hab ich die Pfingstkirchler am Hals.«
    »Du und deine heißgeliebten Pfingstkirchler«, erwiderte Minnie, »ihr werdet hocherfreut sein, zu hören, dass ihr euch um mich und meine Gabe nicht mehr lange den Kopf zerbrechen müsst.« Während sie sprach, wackelte sie mit dem Kopf hin und her, so dass ihr Glöckchen immer wieder erklang. Ihre normalerweise recht schrille Stimme wurde zu einem theatralischen Raunen, als sie, laut genug für fast alle im Raum, verkündete: »Carl sagt, ich habe nicht mehr länger als ein Jahr zu leben.«
    Die meisten Leute im Lokal, die Miss Minnie schon oft Todesprophezeiungen austoßen hatten hören, mit denen sie falsch lag, schenkten ihr keinerlei Beachtung. Doch Clarice, Barbara Jean und ich blieben stehen und warteten darauf, was sie sonst noch zu sagen hatte.
    Little Earl sagte: »Wie wär’s mit einem Tee, zur Beruhigung?«
    »Mich kann nichts mehr beruhigen, ich sehe dem Ende entgegen. Und tu bloß nicht so, als seist du traurig darüber. Du wolltest mich doch schon loswerden, seit ich Earl geheiratet habe.« Sie zeigte auf Erma Mae und fügte hinzu: »Und du auch. Oder willst du das bestreiten?«
    Erma Mae war niemand, der Lügen erzählte. Statt Minnie einer Antwort zu würdigen, rief sie in Richtung Küche: »Belinda, bring Tee für Großmama Minnie!«
    Little Earl führte Minnie hinter die Kasse und geleitete sie zu seinem Hocker. Mit sanfter, beruhigender Stimme sagte er: »Ja, das ist gut. Du trinkst jetzt erst mal eine schöne Tasse Tee, und dann begleite ich dich wieder rüber. Du, ich und Papa, wir können das doch alles

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