Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
dich herrichten lassen, wenn du willst. Ich weiß noch, dass du gesagt hast, wie sehr es dir gefällt.«
»Hab ich das?«, fragte Barbara Jean, die sich nicht daran erinnern konnte, je so etwas gesagt zu haben.
»Ja, das erste Mal, als du in meinem Wagen mitgefahren bist, hast du, als wir an dem Haus vorbeifuhren, gesagt: ›Schau dir das an. In so was würde ich auch mal gerne wohnen‹.«
Das hatte Barbara Jean tatsächlich jedes Mal gedacht, wenn sie an dem Haus vorbeikam, aber ihr war nicht bewusst gewesen, es je laut ausgesprochen zu haben. Aber Lester hatte sie gehört und erinnerte sich so viele Monate später noch daran. Das rührte sie.
»Du musst dich nicht sofort entscheiden. Ich weiß, das ist vermutlich nicht das, was du heute von mir zu hören erwartet hast«, sagte er. »Ich bin die nächsten eineinhalb Wochen auf Geschäftsreise in Indianapolis. Du kannst drüber nachdenken und mir eine Antwort geben, wenn ich wieder zurück bin.«
Das Einzige, was Barbara Jean dazu einfiel, war: »Danke, Lester.« Also beließ sie es dabei.
Lester nahm die Hand von ihrer Schulter. Dann beugte er sich vor und drückte ihr einen Kuss auf die Wange. Er rutschte wieder von ihr weg und sprang aus dem Wagen. Dann ging er um sein Auto herum zur Beifahrerseite und hielt ihr die Tür auf. Wieder sagte sie: »Danke, Lester.«
Ohne zurückzublicken, eilte sie über den Weg zu Big Earls und Miss Thelmas Haus und verschwand darin. Als sie die Treppe zu ihrem Zimmer hinaufging, dachte Barbara Jean an ihre Mutter. Als Loretta im Sterben lag, hatte sie Stunden damit verbracht, auf ihr Leben zurückzublicken und all die Arten aufzulisten, auf die dieses Leben sie benachteiligt und betrogen hatte. Das Wichtigste, das ihr versagt worden war, war »ein Mann, der mir in die Augen schauen und mir schwören konnte, dass er für immer mein Mann sein wird. Und dass er sich mir und meinem Baby gegenüber immer anständig verhalten wird«. Jetzt, nach dem, was Lester Barbara Jean soeben in seinem Wagen eröffnet hatte, hörte sie die Stimme ihrer Mutter aufgeregt keuchen: »Das ist es, Kind, das ist es, worauf wir immer gewartet haben!«
Als sie an diesem Abend in ihr Zimmer kam und aus dem Fenster spähte, sah sie, dass das Licht in der Vorratskammer des All-You-Can-Eat brannte. Aber sie zog ihren Rollladen herunter und ging nicht hinüber zu Chick.
Zwei Tage lang behielt Barbara Jean das, was Lester ihr gesagt hatte, für sich. Sie hatte die Hoffnung, die Antwort würde sich ergeben, wenn sie nur lange genug darüber nachdachte. Sie sperrte sich in ihrem Zimmer ein und mied alle. Wenn sie gefragt wurde, was mit ihr los sei, sagte sie, sie sei krank, was die halbe Wahrheit war, denn das Geheimnis für sich zu behalten, bescherte ihr an jedem dieser Tage Magenschmerzen. Und ihr Rollo blieb heruntergezogen, denn sie wusste, wenn sie zu lange zum Licht in der Vorratskammer hinüberstarrte, würde sie zu Chick laufen, und damit wäre ihre Entscheidung gefallen.
Schließlich musste sie es doch loswerden, also berief sie ein Treffen der Supremes ein. In der Gartenlaube hinter Odettes Haus, derselben, in die sie sich so oft mit Chick geschlichen hatte, erzählte sie Odette und Clarice von Lesters Antrag.
Clarice war überglücklich. »Siehst du? Siehst du? Ich hab dir doch gesagt, dass Lester an dir interessiert ist. Du hast doch Ja gesagt, oder?«
»Ich hab ihm gesagt, dass ich drüber nachdenken werde.«
»Was gibt es da nachzudenken?«, fragte Clarice entgeistert. »Es gibt wohl keine farbige Frau in der Stadt, die diese Gelegenheit nicht beim Schopf packen würde. Veronica versucht seit sie dreizehn ist, seine Aufmerksamkeit zu wecken. Du solltest besser zuschlagen, bevor dir jemand zuvorkommt.«
Odette sagte kein Wort, während Clarice immer weiter über Lesters Antrag quasselte, als sei es das Tollste, was je irgendjemandem auf der Welt passieren könnte. Barbara Jean fiel auf, dass Clarice mit genauso viel Begeisterung davon sprach, wie wenn sie von Richmond schwärmte. Clarice sprang von der Holzbank auf, die an der Spalierwand des Pavillons stand, ging im Kreis und plante bereits Barbara Jeans Hochzeit.
Clarice zählte der Größe nach zehn Mädchen aus ihrer Schule auf, die die besten Brautjungfern abgäben. Sie rasselte ein ganzes Menü exotisch klingender Gerichte herunter, von denen Barbara Jean noch nie zuvor gehört hatte, und verplante bereits großzügig Lesters Geld.
Barbara Jean bat sie, damit aufzuhören, und
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