Mrs Roosevelt und das Wunder von Earl’s Diner: Roman (German Edition)
begaffen.
Odette schien James’ Fernbleiben von diesen abendlichen Verabredungen nicht zu stören. Sie fragte Richmond nur einmal, was aus James geworden war, und diese eine Nachfrage verpackte sie in eine Erkundigung nach dem Befinden von James’ Mutter. Nachdem Richmond ihr gesagt hatte, dass es Mrs Henry seines Wissens nach weder besser noch schlechter ginge als sonst, fragte Odette nicht wieder nach James.
James durch Ramsey zu ersetzen funktionierte hervorragend, zumindest nach Clarices Ansicht. Richmond und sie sahen sich häufiger, als es ihnen lange Zeit möglich gewesen war. Sie blieben länger weg und fuhren oftmals, nachdem sie sich für gewöhnlich in Earl’s Diner getroffen hatten, noch in der Gegend herum, auf eine Party oder, wenn sie Zeit hatten, sogar nach Louisville. Ramsey war gerade so vernünftig, nicht den potentiell fatalen Fehler zu begehen, Odette zu begrapschen, und sie schien es zu amüsieren, Ramsey um sich zu haben und ihn beleidigen zu können. So hatte jeder etwas davon.
Nach mehreren langen Nächten mit Ramsey kamen Odette und Clarice eines Freitagabends im März ins All-You-Can-Eat , in der Annahme, dass Ramsey und Richmond sie am Fenstertisch erwarten würden. Stattdessen saß James auf dem Stuhl neben Richmond.
Clarice ging an den Tisch und sagte Hallo. Dann nahm sie Richmond beiseite, um sich zu beschweren. Sie sagte: »Was macht d er denn hier?«
»Das geht schon klar, ich versprech’s«, sagte Richmond beschwichtigend, und als Reaktion auf ihre hochgezogenen Augenbrauen fügte er noch erklärend hinzu: »Die Sache ist die, James mag sie wirklich. Er hat herausgefunden, dass ich Ramsey als Begleiter für Odette mitgenommen habe, und ist so wütend geworden, dass ich schon Angst hatte, er würde mir eine verpassen.«
Richmond übertrieb ein wenig. Er hatte nicht wirklich befürchtet von James angegriffen zu werden, als dieser am Abend zuvor in sein Zimmer gepoltert kam. Jeder von Richmonds Oberarmen war ungefähr so dick wie James um die Taille. Selbst wenn James also gewalttätig geworden wäre, wäre die Gefahr, die Richmond dabei drohte, eher minimal gewesen, und das wusste er. Trotzdem war Richmond erstaunt darüber gewesen, James so aufgebracht zu sehen. Denn das war überhaupt nicht seine Art.
James hatte, seit er dreizehn war, wie ein erwachsener Mann gearbeitet, um sich und seine Mutter zu versorgen. In der Highschool, wenn Richmond und die anderen Jungs beim Sport waren oder heimlich eine Flasche Fuselwhiskey im Wald kippten, konnte man James mit hoher Wahrscheinlichkeit zu Hause beim Kochen oder Putzen antreffen. Und James zeigte keinerlei Anzeichen dafür, sauer darüber zu sein oder sich deshalb verständlicherweise betrogen zu fühlen, zumindest nicht, soweit Richmond feststellen konnte. Aber da hatte James nun vor ihm gestanden, ihm seinen knochigen Finger in die Brust gepiekt und ihn ausgerechnet wegen Odette Jackson angebrüllt. Richmond hätte gute Lust gehabt zu lachen, aber stattdessen hatte er James versprochen, ihm zu helfen. Richmond legte seine großen Hände auf Clarices Arme, strich langsam daran auf und ab und versuchte ihren Ärger wegzumassieren.
Er sagte: »Alles gut, wirklich. Ich habe James genau gesagt, was er mit ihr reden soll. Ich habe ihm ein paar super Sprüche gesteckt, die er anwenden kann. Und ich hab ihn mit Kaffee vollgepumpt, bevor wir hergekommen sind. Das klappt schon. Vertrau mir.«
Als sie zurück an den Tisch kamen, sagte James gerade: »Also, sag deiner Mutter, sie soll Kräuter zwischen ihre mehrjährigen Pflanzen setzen, um die Schädlinge in Schach zu halten.« Dann lehnte er sich zurück und fing an, Odette schweigend zu betrachten, so wie er es immer tat, wenn ihm der Gartengesprächsstoff ausging. So als wäre er ein Wissenschaftler und sie etwas Seltenes, das er in einer Petrischale wachsen sehen konnte. Odette starrte zurück, den Mund mürrisch verzogen. Falls er einen dieser Super-Sprüche, die Richmond ihm gesteckt hatte, angewendet haben sollte, dann schien er nicht funktioniert zu haben.
Während sie an ihren Limoflaschen nippten und Chicken Wings aßen, versuchten Richmond und Clarice eine Art Unterhaltung aufrechtzuerhalten. Aber weder Odette noch James sagten etwas. James betrachtete Odette bloß mit einer Mischung aus Zuneigung und Neugier, während sie ihn wütend anfunkelte.
Richmond redete davon, vielleicht runter nach Louisville zu fahren und einen Tanzclub zu testen, von dem er gehört hatte.
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