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Muckefuck

Muckefuck

Titel: Muckefuck Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georg Lentz
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Eisenbahnstationsvorstehersgattin aus Dubberow, an Uniformen also gewöhnt, war dennoch erstaunt über meine vorwiegend braune Ausrüstung, die ja auch in nichts an Eisenbahnermonturen erinnerte. Sie arbeitete jetzt täglich an ihrem Strumpfvorrat, der denn auch für den Rest ihres Lebens reichen sollte: lange schwarze gestrickte Röhren aus grober Wolle, Fersen verstärkt. Beim Stricken traf ich sie auch, als ich ihr die neue Jungvolkausrüstung vorführte. Sie rückte ihre schwarz geränderte Brille auf die Nasenspitze, betrachtete mich eingehend, während ihre großen Stricknadeln weiterklapperten, und sagte kopfschüttelnd: »Ein Braun – wie Schifferscheiße!«
    Großmutter hatte, zum Spaß und frischer Eier wegen, auch im neuen Hause eine Hühnerzucht begonnen. Eine kleine Hühnerzucht. Das hatte Gründe. Sie wollte gern mit den Hühnern ein persönliches Verhältnis haben, sie etwa bei den Namen nennen, die sie ihnen gegeben hatte. Lautereinfache Namen. Erna, Berta, Frieda. Gerade mit Hühnern ein persönliches Verhältnis zu bekommen, das wird jedem einleuchten, ist schwer. Großmutter schaffte es. Jedenfalls rannten die Hühner nicht, wie bei uns, gackernd davon, wenn sie die Stalltür öffnete. Trotzdem blieb Großmutter sachlichen züchterischen Grundsätzen treu. Das hieß, auf die kürzeste Formel gebracht: Wenn eines der Hühner nicht mehr legte, nahm die Großmutter ein Beil und schlug ihm den Kopf ab. Am nächsten Tag gab es dann bei uns Huhn, und obwohl die Großmutter genau wusste, dass da vor ihr auf dem Teller Berta lag oder Ida, die gestern noch fröhlich gegackert hatte, ließ sie es sich schmecken. So sachlich konnte Großmutter sein.
    Je mehr nun das Braun um Großmutter herum zunahm, mit den Uniformen der Goldfasanen und schließlich sogar mit meinem braunen Hemd, kurz auch Braunhemd genannt, desto empfindlicher begann die Großmutter gegen diese Farbe zu werden. Sie entschloss sich, ihre braunen Kleider wegzuwerfen, sie hängte Bilder ab, die braun gerahmt waren, beförderte sogar ihre dickbäuchige geliebte braune Bunzlauer Kaffeekanne in den Müll, und eines Tages hatte sie alle ihre braunen Möbel im kleinen sonnigen Zimmer mit Ölfarbe hellblau gestrichen. Meine Mutter schimpfte. Ede aber unterstützte die Großmutter. Er verstand sie. Ein Glück, dass seine Taxen grün waren.
    Wir ahnten nicht, wohin diese Marotte bei Großmutter noch führen sollte. Bis wir eines Morgens vom Hof her lautes Gegacker hörten. Großmutter hatte bis dahin Rodeländer gezüchtet. Das sind braune Hühner. An diesem Morgen erschlug sie alle braunen Hühner. Wir aßen wochenlang Huhn in jeder Variation, Suppenhuhn, Brathuhn, Hühnerfrikassee, Hühnersuppe, zuletzt versuchtenwir Hühnerbouletten. Die Zucht wurde auf weiße Leghorns umgestellt.
    Allmählich gewöhnte Großmutter sich wieder an die Farbe. Ganz gegen Ende des Krieges hatte sie sogar wieder ein paar Rodeländer.
    Über diese Hühnerzucht, mit der es beinahe ein zeitgemäßes Ende genommen hätte, ist überhaupt allerhand zu sagen. Großmutter äußerte jede Idee in einer Form, die Widerspruch ausschloss. Das war so ihre Art. Onkel Adolar wollte ihr die Leghorns ausreden. Er wusste eine Menge über Hühner. Beim Kaffeetrinken hielt er Großmutter lange Vorträge.
    »Du musst es mal mit Ramerslohern versuchen«, schlug er vor, »oder mit Thüringer Pausbäckchen.«
    Großmutter schniefte und rührte unwillig in ihrer Kaffeetasse, was immer als Alarmzeichen anzusehen war. Ohnehin hatte sie Onkel Adolar auf dem Kieker, weil er morgens immer im Stall verschwand und die noch warmen Eier austrank. Er stach sie an den Enden mit dem Korkenzieher von seinem Taschenmesser an, setzte das eine Loch an den Mund und schlürfte den Inhalt.
    Ohne Großmutters Rührwarnung zu beachten, fuhr Onkel Adolar fort, sein Wissen anzubringen. »In Frankreich«, dozierte er, »züchten sie die Le-Mans-Hühner. Gute Eierleger. Sehr gute. Oder kennst du die La Fleche? Mit den kleinen Häubchen? Aber die Häubchen werden leicht schmutzig. La Fleche kann man nur in ganz sauberen Ställen halten.«
    Großmutter rührte schneller und schoss Blicke. Sie hielt schon die Tasse mit dem Daumen der anderen Hand an der Innenseite fest, sonst wäre sie vom Tisch gefallen. Onkel Adolar räkelte sich in seinem Korbstuhl, dass es krachte, belehrte die Großmutter, dass Langsham-Hühner einhundertsechzig Eier im Jahr zu legen pflegten, und dass der Bergische Schlotterkamm frühreif sei.
    Da

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