Muckefuck
man Pflug oder Egge festmachte. So zockelten wir zum Hof zurück. Aus dem senkrechten Auspuff stieg eine schwarze Wolke. Obwohl der Bulldog auf dem schlechten Weg holperte, drehte Onkel Willi sich eine Zigarette. Er setzte sie in Brand. Nachdem er gegen die Konkurrenz des schwarz blakenden Auspuffs ein erstes heiles Wölkchen ausgestoßen hatte, sagte er: »Hast du all hört, dat sich uns Ziethen verlobt?« -
»Mit wem denn?«, fragte ich. »Mit Margot?« Ziethendrehte sich entrüstet um. »Na wat denn, du Döskopp«, sagte er.
Das Fest war an einem Samstag. Der Sonntag darauf war ein Eintopfsonntag, und das, meinte Onkel Willi, passe ganz gut nach der Völlerei. Ich fragte Tante Anna, ob denn das Ernst sei mit dem Eintopfsonntag, hier auf dem Lande. Tante Anna wischte sich die Hände an der Schürze ab und trat aus der Küchentür, um zu sehen, ob Onkel Willi nicht in der Nähe war. »Stellenweise ist er eben doch ein Nazi«, meinte sie.
Onkel Willi ließ sich am Samstagmorgen von Ingeborg rasieren. Dann zog er seinen dunklen Bratenrock an und steckte sich den Hakenkreuzbonbon ans Revers. »Der Kreisbauernführer kommt nämlich«, erklärte er. Aus der Küche roch es gut. Außer Ingeborg, die Kammerzofenaufgaben zu erfüllen hatte, waren alle Frauen in der Küche beschäftigt. In dem kühlen Korridor standen Bleche mit Streuselkuchen zum Abkühlen auf einem langen Tisch. Die Hunde schnupperten, und ihr Geifer tropfte auf den Steinfußboden.
Am Nachmittag kamen die Gäste. Die Verwandten aus der Umgebung mit Kutschwagen, die Leute aus dem Dorf zu Fuß. Der Kreisbauernführer, in brauner Uniform, fuhr in einem kleinen Auto vor. Der Pfarrer saß schon hinten in der Stube und trank mit Ziethen und Blücher einen Schnaps. Margot war mit zum Küchendienst gepresst worden. Der Lehrer hatte auch einen Parteibonbon anstecken und unterhielt sich mit dem Kreisbauernführer über den Endsieg. Da auf das Dorf keine Bomben fielen, waren sie sehr viel optimistischer als ihre Kollegen in der Stadt.
Als Letzte hoppelte die Fuckruschen durchs Tor, angelockt vom Duft des Streuselkuchens. Sie trug ihren großen Hausschlüssel, am Handgelenk schlabberte eine Markttasche. »Passt man auf die olle Fuckruschen auf«, sagte Blücher. »Sie hat wieder ihre Tasche mit.«
»Was heißt das, Tasche mit?«
Blücher flüsterte: »Sie klaut Koteletts.«
»Vom Tisch?«
»Nein, bevor es losgeht. Aus der Küche. Wetten, dass sie es auf die Hunde schiebt, wenn jemand merkt, dass die Koteletts weg sind?«
Johanna zeigte sich an die Stirn und meinte: »Denk dir was Besseres aus, Blücher! Kuchen und Koteletts wittert die Fuckruschen auf drei Meilen gegen den Wind!«
»Ruhig doch!« – Die Fuckruschen schlurfte schon durch den Korridor, die Nüstern gebläht.
Beim Kaffee ging es noch manierlich zu. Echter Bohnenkaffee natürlich, aus Berlin per Paket im Austausch gegen Hühnerfutter geliefert, und dort auf dem schwarzen Markt erstanden, hundertzwanzig Mark das Pfund. Im Zimmer und auf der Veranda waren Tische gedeckt, der Kreisbauernführer, der Pfarrer und der Dorfschullehrer saßen in Onkel Willis Nähe. Von den Verlobten und den übrigen Gästen war die Gruppe durch Tante Annas füllige Gestalt getrennt. Ganz unten am Tisch saßen die Mädchen, saßen Werner, der Ingeborg wieder schöne Augen machte, und ich. Den alleruntersten Platz nahm die Fuckruschen ein. Sie war nicht böse deswegen. Hier konnte sie ungestört ein Stück Kuchen nach dem anderen hinunterschlingen. Ihre Augen waren schon wieder rot hinter der Brille. Auch Johannas Nase glänzte in frischem Rot. Beide hatten zusammen in der Küche gepichelt.
Nach dem Kaffee gingen die Bauern auf die Felder, um den Fortschritt der Kornernte zu überwachen, die im vollen Gange war. Die Ernte war ja auch der Anlass für den Urlaub der beiden feldgrauen Brüder gewesen, diesem Urlaub, der nun zu Ziethens Verlobung mit der ohrschneckengeschmückten Margot geführt hatte, während seine Kameraden einen neuen Blitzfeldzug vollendeten. Endlich hatten unsere tapferen Soldaten die Franzmänner, den Erbfeind, die Welschen, in die Knie gezwungen. Endlich hatten wir Revanche genommen für die Schlappe, die wir 1918 hatten erleiden müssen. Das Wort Revanche allerdings war ihnen nicht zu welsch. Von Mars-La-Tours sprachen die Alten, während sie über die Felder gingen, und von Vionville, Orte, an denen ihre Großväter 1870-71 siegreich gewesen waren, und die jetzt ihre Enkel wiedererobert hatten.
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