Mucksmäuschentot
deprimierende Dokumentarfilme über Cracksüchtige in New York oder Aids in Afrika zu geben, billige Seifenopern mit schlechten Schauspielern oder Reality-Sendungen, die unerträglich banal waren. Aber wir mochten Filme, vor allem romantische Komödien. Unsere Favoriten waren Oldies wie
E-m@il für dich
und
Schlaflos in Seattle
mit Tom Hanks und Meg Ryan und Klassiker mit Hugh Grant wie
Notting Hill
und
Vier Hochzeiten und ein Todesfall
. Die moderneren mochten wir nicht – sie wirkten nur vulgär, waren voller grober sexueller Anspielungen, und es war mir peinlich, sie mit Mum anzuschauen. Wir hatten beide eine Schwäche für George Clooney und nahmen für ihn das ganze Macho-Getue und den unverständlichen Plot der
Ocean’s Eleven-
Serie nur zu gern in Kauf. Dann und wann hatte er so einen Blick drauf, der mich ein bisschen – ein ganz, ganz kleines bisschen – an meinen Dad erinnerte. Ich erwähnte es natürlich nie, fragte mich aber, ob Mum das Gleiche dachte.
Wir hatten uns angewöhnt, gegen zehn Uhr einen warmen Kakao zu trinken, und um elf schliefen wir meist beide zusammengerollt auf dem Sofa.
Wenn ich an Mums Schulter döste, einen Kakaoschnurrbart auf der Oberlippe, umhüllt von Brahms’ Violinkonzert oder der sechsten Symphonie von Tschaikowsky, und das Buch aus meinen schlaffen Fingern auf den Boden fiel, genoss ich die sichere, warme Atmosphäre von Honeysuckle Cottage. Wenn ich die orangefarbenen Flammen des knisternden Kaminfeuers betrachtete, dachte ich manchmal an Teresa Watson und was sie wohl gerade tun mochte – in einem Club tanzen, in einem verräucherten, überfüllten Pub Bier trinken, mit ihrem Freund auf dem Rücksitz eines Autos fummeln, und ich sagte mir:
Um nichts in der Welt möchte ich mit dir tauschen, Teresa Watson, um nichts in der Welt.
Ich weiß, ich bin eine Maus, die sich in ihrem gemütlichen kleinen Nest hinter der Wandtäfelung versteckt, aber mein Mäuseleben ist voller guter Dinge – Kunst, Musik, Literatur … Liebe.
Es mochte ein Mäuseleben sein, aber es war ein gutes Leben, ein reiches Leben, ein
wunderbares
Leben.
10
Der Frühling kam zeitig in jenem Jahr. Der milde Februar ging in einen warmen März über. Die Kirschbäume prangten in einem rosigen Blütenschleier, und wenige Tage später waren die Apfelbäume morgens ganz in Weiß gekleidet. Wir nahmen uns vor, im Sommer selbstgebackenen Apfelkuchen mit einem dicken Klecks Vanilleeis zu essen. Ich lernte, wie ich mir vorgenommen hatte, die Namen aller Blumen im Garten und machte an einem Sonntagmorgen für Mum eine Führung, bei der ich sie mit allen blühenden Bewohnern bekanntmachte. Den Schluss bildete das ovale Rosenbeet, bei dem ich mit einer dramatischen Handbewegung sagte: »Und last but not least, die Remontant-Rose, Rosa Hybrida Bifera …«
Als die Tage länger wurden, verbrachten wir immer mehr Zeit draußen. Wir tranken jetzt unsere nachmittägliche Tasse Tee auf der Terrasse hinter dem Haus. Mum hatte in der Stadt billige weiße Gartenmöbel gekauft. An den Wochenenden machten wir uns im Garten zu schaffen. Wir mähten den Rasen – keine leichte Aufgabe, da der Garten einen ganzen Hektar groß war. Wir hatten das Gras länger wachsen lassen, als der eiserne Mr Jenkins es jemals geduldet hätte. Ich lief hin und her und füllte Mülleimer mit Grasschnitt, den ich zum Komposthaufen am Ende des Gartens schleppte. Mit einem Grinsen erinnerte ich mich an Mr Jenkins, der uns den klebrigen Haufen wie ein stolzer Vater präsentiert hatte.
Mum begeisterte sich für das Gemüsebeet und die Vorstellung, mit Gemüse zu kochen, das sie selbst gezogen hatte. Sie wollte sogar noch mehr anpflanzen als Mr Jenkins, und dazu auch Kräuter wie Rosmarin und Thymian, um das Essen zu würzen. Da nicht genügend Platz im vorhandenen Beet war, entschied sie, es bis zu den Zypressen hin zu erweitern. Also machten wir uns an einem Samstagmorgen an die Arbeit, nachdem wir in der Stadt Spaten und Mistgabel gekauft hatten, und gruben eine Fläche um, die für zwei Doppelbeete ausreichte, bis die Erde eine krümelige Konsistenz angenommen hatte. Wir waren froh, zur Abwechslung einmal körperlich zu arbeiten, ahnten allerdings nicht, wie anstrengend es sein würde. Am nächsten Morgen konnten wir uns kaum noch bewegen – es tat weh, den Wasserkessel hochzuheben, und das Treppensteigen wurde zur Qual.
Wenn uns danach war, spielten wir auf dem Rasen Krocket oder spannten ein Netz zwischen den Obstbäumen fürs
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