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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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zählen, wie viele Wörter ich geschrieben hatte. Das würde viel Zeit sparen, wenn Roger mir ein bestimmtes Wörterlimit setzte.
    Ich dachte schon über das Abitur hinaus an die Universität. Dort würde ich viele Hausarbeiten schreiben müssen, wobei ein Laptop ein Riesenvorteil wäre, und wenn ich schnell genug tippen konnte, könnte ich mir sogar während der Vorlesungen Notizen machen.
    Am aufregendsten aber war die Vorstellung, wie sich mit einem Laptop mein kreatives Schreiben verbessern würde. Dann könnte ich einen wirklich langen Text in Angriff nehmen, vielleicht sogar meinen ersten Roman …
    Doch ich sagte nichts. Ich wusste, dass Mum mir beim geringsten Hinweis einen Laptop kaufen würde – selbst wenn sie deswegen mit Löchern in den Schuhen und Laufmaschen in den Strümpfen zur Arbeit gehen musste.

11
    Der März ging zu Ende, und der April begann. Unser angenehmer Alltag lief weiter – morgens kam Roger, nachmittags Mrs Harris. Ich arbeitete fleißig und blickte zuversichtlich auf die Prüfungen, die in nur zweieinhalb Monaten anstanden. Mum arbeitete immer noch für drei und ertrug schicksalsergeben Blakelys Unverschämtheiten und grapschende Hände.
    Mein Geburtstag rückte näher, und die Vorstellung, sechzehn zu werden, war ziemlich aufregend. Ich bekam Geld von meiner Großmutter in Wales, und einige entfernte Verwandte schickten Geburtstagskarten, die Mum auf dem Sideboard aufstellte. Eine wirklich reizende Karte erhielt ich aus dem Krankenhaus, unterzeichnet von den Krankenschwestern, die sich um mich gekümmert hatten. Zu meiner Überraschung leitete die Polizei auch einen Brief von der Schule an mich weiter, in dem mir »Geburtstagsgrüße« übermittelt wurden und der Direktor mit »den allerbesten Wünschen« unterzeichnet hatte. Ich zerriss ihn und warf ihn in den Papierkorb.
    Gegen meinen Willen wartete ich auch auf eine Reaktion meines Vaters. Doch es kam keine. Diese kleinliche Grausamkeit setzte sich tief in mir fest, und je mehr ich sie verdrängte, desto mehr ärgerte ich mich darüber. Ich konnte einfach nicht glauben, dass unsere Beziehung vorbei war, dass ich ihn wahrscheinlich nie wiedersehen würde. Ich wusste, dass er unsere neue Adresse hatte, und argwöhnte schon, Mum könnte ein Geschenk unterschlagen haben. Einmal durchsuchte ich sogar wie eine Irre die Mülleimer. Doch als ich vernünftig darüber nachdachte, wurde mir klar, dass Mum überhaupt nichts vor mir verstecken konnte. Der Briefträger kam erst, nachdem sie zur Arbeit gefahren war. Tatsächlich hatte Dad mich nicht einmal angerufen, als ich aus dem Krankenhaus gekommen war. Warum also sollte er sich bei mir melden, nur weil ich sechzehn wurde? Mir war klar, dass er mich aufs Abstellgleis geschoben hatte, weil ich mich auf Mums Seite gestellt und entschieden hatte, bei ihr zu bleiben. Anscheinend konnte er die Zuneigung, mit der er mich früher überhäuft hatte, wie einen Wasserhahn auf- und abdrehen.
    Der 11 . April, mein Geburtstag, fiel in diesem Jahr auf einen Dienstag. Am Abend vorher rief Mum um sechs an und sagte, es würde später – Blakely habe sie abgepasst und gebeten, mit einem Mandanten zu sprechen, der nur nach Feierabend Zeit hatte
(du bist einfach zu weich, Elizabeth!)
.
    Ich war früh mit den Hausaufgaben fertig und zeichnete im Esszimmer. Dann beschloss ich, mich nützlich zu machen und schon einmal das Abendessen vorzubereiten. Nach dem Vorfall in der Schule zündete ich äußerst widerwillig den Gasherd an, doch wenn ich ihn niedrig stellte, gelang es mir, das Streichholz ans Gas zu halten, ohne aufzuschreien. Ich kochte Spaghetti Bolognese, die mir ziemlich gut gelangen und gerade fertig waren, als ich Mums Schlüssel in der Tür hörte.
    »Was ist das denn?« Sie kam lächelnd in die Küche. »Ich dachte,
du
hättest morgen Geburtstag.« Als sie mich küsste, spürte ich ihre kalte Nase an meiner Wange.
    »Du bist ja eiskalt«, sagte ich.
    »Ja, ein kalter Abend. Es hat auch angefangen zu regnen.«
    Ich legte
La Bohème
auf, während Mum sich umzog, deckte für zwei am Küchentisch und zündete einige Duftkerzen an. Ich öffnete eine Flasche Rotwein und schenkte zwei Gläser ein, verschloss die Flasche wieder und stellte sie in die Vorratskammer. Nach dem ersten Mal hatte ich meine Lektion gelernt – ein Glas reichte völlig aus.
    Mum kam in Jogginghose und ihrem bequemsten Polopullover herunter, als ich gerade das Essen auf die Teller tat. Wir stießen auf meinen bevorstehenden

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