Mucksmäuschentot
sonderbar finster.
»Dafür ist es jetzt zu spät«, sagte sie mit seltsam hohl klingender Stimme, als wäre sie in Gedanken ganz woanders. Vielleicht wappnete sie sich schon für die grausige Aufgabe, die ihr bevorstand.
In diesem Augenblick klingelte das Handy des Einbrechers erneut, und ich fuhr zusammen, als hätte mir jemand einen elektrischen Schlag versetzt. Ich stand rasch auf und eilte ins Haus.
Bloß weg hier!
Ich konnte das Geräusch nicht mehr ertragen!
Die fröhliche, aus acht Tönen bestehende Melodie wiederholte sich unablässig und klang in meinen Ohren wie das Gelächter des Einbrechers – als reizte und verspottete er uns noch aus der Dunkelheit seines flachen Grabes.
Als Mum fünfunddreißig Minuten später in die Küche kam, war ihr Gesicht angespannter und gequälter, als ich es je gesehen hatte. Sie leerte den Inhalt einer ihrer Taschen auf der Sitzbank aus. Ein zerdrücktes Päckchen Zigaretten, ein Zippo-Feuerzeug, eine abgeschabte lederne Brieftasche, Bonbonpapiere, Autoschlüssel mit einem Fußball-Anhänger und das Handy.
»Ich habe es ausgeschaltet«, sagte sie.
Dann wühlte sie in der anderen Tasche und holte ein Bündel Geldscheine hervor. »Sieh dir das an! Er hatte das ganze Geld, das unter meiner Matratze lag, in der Gesäßtasche – fast zweihundert Pfund! Nicht zu fassen, dass ich nicht in seine Taschen geschaut habe, bevor wir …« Ihre Stimme erstarb.
»Wir hatten kaum geschlafen, Mum. Wir konnten nicht klar denken.«
»Nun, von jetzt an müssen wir klar denken – sonst werden sie uns erwischen.« Sie stützte die Hände in die Hüften und kaute auf der Unterlippe, wie immer, wenn sie erregt war. »Wir müssen genau überlegen. Wir müssen
nachdenken
.«
Sie versuchte, Panik, Entsetzen und Ekel zu unterdrücken; sie ging dieses Blutbad an wie ein Problem, das auf ihrem Schreibtisch landete – ein geistiges Puzzle, eine intellektuelle Herausforderung. Wenn sie mit der ganzen Kraft ihres brillanten Verstandes daran arbeitete, mit ihrem gesunden Menschenverstand und ihrem Blick fürs Detail, würde sie es lösen wie alle anderen Probleme.
Erst da schaute Mum sich in der Küche um und sah, welche Arbeit ich geleistet hatte. Ich hatte das zerbrochene Geschirr aufgehoben und in einen Karton neben der Hintertür geworfen. Dann hatte ich mit dem Mop das meiste Blut aufgewischt, am Spülbecken einen Eimer nach dem anderen gefüllt und zugesehen, wie das Putzwasser allmählich von Dunkelrot zu Hellrosa verblasste. Ich hatte den Boden so gut wie möglich mit Geschirrtüchern getrocknet und wollte mich gerade um die Blutflecken an den Wänden und auf den Arbeitsflächen kümmern, als Mum zurückgekommen war.
»Gut gemacht, Shelley«, sagte sie lächelnd. »Das Schlimmste ist weg.« Sie schaute auf die Uhr am Herd. » 7.23 Uhr. In Ordnung. Wir liegen gut in der Zeit.«
Dann konzentrierte sie sich wieder.
Das Problem. Sie musste das Problem angehen.
Sie holte eine Rolle schwarze Müllbeutel aus der Schublade unter dem Waschbecken und riss einen ab.
»Hör mir genau zu, Shelley. Wir müssen alles zusammensuchen, an dem Blutflecken sind und mit dem man beweisen kann, dass der Einbrecher in unserem Haus gewesen ist. Wir müssen es in Müllbeutel verpacken und sie im Gästezimmer verstecken, bis wir sie sicher entsorgen können.«
Sie fegte die wenigen Besitztümer des Einbrechers in den Müllbeutel und versuchte dann, den Karton mit dem blutigen Geschirr hineinzupacken. Ich hielt den Beutel auf, holte die Geschirrtücher und warf sie ebenfalls hinein.
»Das Messer?«
Ich nahm es vom Abtropfbrett und gab es ihr, ohne auf das dunkle, verkrustete Blut an der Klinge zu schauen. Sie stopfte es tief in den Karton.
Dann schaute sie sich nach anderen blutbefleckten Gegenständen um und bemerkte die Matte. Sie kniete sich hin und steckte sie zusammengefaltet in den Müllbeutel. Ich wischte den rechteckigen rosa Fleck vom Boden weg.
Mum riss den nächsten Müllbeutel ab und steckte ihren blutbefleckten Morgenmantel hinein.
»Wo ist deiner, Shelley?«
Ich musste überlegen, dann fiel es mir ein. Er lag noch neben dem Rosenbeet.
»Hol ihn bitte schnell. Er muss leider weg. Wir können es nicht riskieren, ihn zu waschen.«
Eigentlich wollte ich nicht mehr in die Nähe des Grabes gehen. Doch angesichts dessen, wozu Mum sich soeben gezwungen hatte, konnte ich nicht anders. Also rannte ich über den Rasen und versuchte, nicht zum Rosenbeet zu schauen, nicht an eine Stimme zu
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