Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
Vom Netzwerk:
denken, die aus der Erde drang
(bisschen kuscheln?)
oder eine kalte Hand, die nach meinem Knöchel griff. Ich schnappte mir den Bademantel und rannte so schnell ich konnte zurück.
    Mum steckte ihn in den Müllbeutel.
    »Und jetzt die Gummistiefel.« Das Wort erinnerte mich an Kindheit und Unschuld und wirkte in diesem Augenblick und in dieser Küche seltsam fehl am Platze.
    Ich setzte mich auf den Stuhl und zog sie aus. Mum zog ihre ebenfalls aus und steckte beide Paare in den nächsten Müllbeutel.
    »Okay«, sagte sie und wischte sich mit dem Handrücken über die Stirn. »Jetzt werde ich hier drinnen alles abschrubben – Schränke, Wände,
alles

    Sie verschwand im Abstellraum mit den Jalousietüren, in dem wir die Reinigungsmittel aufbewahrten, und kam mit einer Plastikschüssel, Scheuerbürsten, sauberen Geschirrtüchern und einer riesigen Flasche Desinfektionsmittel zurück. Als ich sie so in ihrem Nachthemd und den leuchtend gelben Gummihandschuhen sah, das Haar zerzaust wie ein Vogelnest, verspürte ich den Drang zu lachen, genau wie vorhin, als sie mit dem Schuh des Einbrechers in der Hand auf den Hintern geplumpst war.
    »
Manchmal lacht das Publikum bei den grausigsten Szenen in
Macbeth«,
hatte Roger einmal gesagt.
    »Wieso?«, hatte ich gefragt.
    »Weil grausige Dinge komisch sind.«
    Zum Glück gelang es mir, das Lachen zu unterdrücken.
    »Was soll ich tun, Mum?«
    Sie antwortete nicht. Sie füllte die Schüssel mit heißem Wasser und vertiefte sich ganz in ihre Aufgabe – die Zeit zurückzudrehen und das Haus so aussehen zu lassen, wie es vor dem Einbruch gewesen war; die Küche so zu reinigen, dass die Polizei keinen einzigen Blutfleck finden würde. Ich musste meine Frage wiederholen.
    »Ich glaube, du gehst am besten unter die Dusche und wäscht das Blut ab«, sagte sie, während sie den nächsten Müllbeutel abriss. »Steck dein Nachthemd hinein, und auch alle Handtücher, die du benutzt hast. Selbst wenn sie nicht
aussehen
, als wäre Blut dran. Man kann … Wir dürfen jedenfalls kein Risiko eingehen.«

19
    Zum zweiten Mal im Leben erkannte ich mich nicht im Spiegel. Das Gesicht einer Wilden blickte mich an – kein sechzehnjähriges englisches Mädchen aus der Mittelklasse, sondern eine primitive Wilde, deren Gesicht vom Töten gezeichnet war, die Augen weit aufgerissen von der Erregung des Kampfes, das Haar mit getrocknetem Blut verkrustet, dass es stachelig nach oben stand. Es war ein schockierender Anblick, und ich brauchte mehrere Sekunden, bis ich akzeptieren konnte, dass
ich
die Wilde im Spiegel war.
    Als ich mit dem Zeigefinger über meine Wange rieb, rieselte das getrocknete Blut wie Rost herab und hinterließ auf dem weißen Waschbecken eine Spur aus rötlichem Staub. Ich untersuchte die grauen Flecken an meinem Hals, zwei dunkle Halbmonde beiderseits der Luftröhre, wo mich der Einbrecher gewürgt hatte. Meine Kehle tat noch weh, und beim Schlucken spürte ich einen störenden Klumpen. Meine Augen waren völlig blutunterlaufen, nur hier und da sah man mikroskopisch kleine weiße Flecken. Ich hatte einmal gelesen, dass die Polizei an den geplatzten Blutgefäßen im Auge erkennen konnte, ob jemand erwürgt worden war. Es hatte etwas mit dem Sauerstoffmangel im Blut zu tun.
Wie nahe war ich dem Tod gewesen?
In meinem Kopf hämmerte es, und ich war so müde, dass ich mich am liebsten auf dem Boden des Badezimmers zusammengerollt und geschlafen hätte.
    Eine gewaltige Niedergeschlagenheit überflutete mich und riss mich mit sich. Was für ein Durcheinander! Was für eine Katastrophe!
Und es war alles meine Schuld.
Ich hatte einen unerfreulichen, aber nicht weiter ungewöhnlichen Einbruch in eine Katastrophe von so ungeheuerlichen Ausmaßen verwandelt, in ein so schockierendes Desaster, dass ich schon die sensationsgierigen Schlagzeilen vor mir sah.
    Vermutlich hatte ich mein Leben und das meiner Mutter endgültig zerstört. Wir würden mit dem, was wir getan hatten, nicht davonkommen. Niemand kommt mit einem Mord davon, es gibt immer irgendeinen Hinweis, den die Täter übersehen. Früher oder später werden sie von der Polizei erwischt. Wir würden im Gefängnis enden, und zwar beide. Und das nur, weil ich die Beherrschung verloren hatte. Weil ich mich geweigert hatte, auf Mum zu hören.
Sie
hatte mir gesagt, ich solle ruhig bleiben;
sie
hatte mir gesagt, ich solle nicht in Panik geraten.
Sie
hatte mir gesagt, er werde uns nicht weh tun. Was war nur in mich gefahren? Warum

Weitere Kostenlose Bücher