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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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hatte ich nicht auf sie gehört? Ich hatte alles zerstört. Ich wollte verschwinden, im Boden versinken.
    Und dennoch spürte ich neben all den Schuldgefühlen und Selbstvorwürfen noch etwas anderes, ein hartnäckiges und rebellisches Gefühl, das sich weigerte, sich der vorherrschenden Stimmung zu unterwerfen. Es war wie in einem klassischen Musikstück, wenn sich inmitten des langsamen, traurigen Klagens der Violinen und Celli eine blecherne Trompete erhebt, die eine völlig andere Melodie spielt – etwas Trotziges, Grelles wie einen Militärmarsch. Was war das für ein Gefühl – unvertraut, roh, unabhängig, das Unruhe stiftete wie ein Betrunkener auf einer Hochzeit?
    Ich betrachtete meine blutunterlaufenen Augen und die Flecken am Hals. Er hatte wirklich versucht, mich zu töten – er hatte wirklich versucht, mich zu erwürgen, während ich hilflos auf dem Küchenboden lag. Ich erinnerte mich an die Entschlossenheit und den Hass in seinem Gesicht, wie mir plötzlich die Luft wegblieb, als hätte man ein Ventil geschlossen. Er hätte es getan, er hätte das Leben in mir erstickt, und dann wäre er ins Wohnzimmer gegangen und hätte das Gleiche mit Mum getan … aber wir hatten das Spiel gedreht. Die Katze war ins Mauseloch eingedrungen, doch diesmal hatte die Maus die Katze getötet.
    Als ich mich wieder im Spiegel betrachtete, sah ich zu meiner Überraschung, wie meine Zähne weiß aufblitzten. Ich lächelte breit. Und dann erkannte ich das verstörende Gefühl:
freudige Erregung.
     
    Mein Nachthemd klebte an der Haut, wo das Blut getrocknet war, und ich musste es wie ein Pflaster abziehen. Es tat gut, unter der heißen Dusche zu stehen, während die harten Tropfen beruhigend auf meine Kopfhaut prasselten. Mit einer seltsamen Befriedigung beobachtete ich, wie das Blut in einem rosa Wirbel im Abfluss verschwand.
    Gab es eine geheimnisvolle Verbindung zwischen Frauen und Blut? Hatte ich nicht Blut von meinen Händen und aus meiner Kleidung gewaschen, seit ich zwölf war? Davon hatten Jungen keine Ahnung. Verfügten Frauen über ein besonderes Wissen, was Blut anging? Wurden deshalb so viele von ihnen Krankenschwester? Ich erinnerte mich an die Schwestern im Krankenhaus: Frauen, die beim Anblick von Blut niemals ohnmächtig wurden, die sich niemals abwendeten, die nie zusammenzuckten, weil Blut ihnen keine Angst einjagte. Es war ein alter Freund.
    Ich schäumte die Seife auf und bedeckte meinen ganzen Körper damit, genoss das Schmatzen und Quietschen von Haut auf Haut. Ich wollte jeden Zentimeter meines Körpers sauber schrubben, makellos machen und mit einer vollkommen
neuen Haut
aus der Dusche steigen. Als ich die Seife abspülte, entdeckte ich im Spiegel eine üble Schwellung, wo ich auf das Messer gefallen war. Knapp über dem Po prangte ein schwarzer, faustgroßer Knubbel, der von einem aggressiven roten Ring umgeben war.
    Ich wollte nach dem Shampoo greifen, doch es stand nicht an der üblichen Stelle. Ich erschauerte, als mir einfiel, dass der Einbrecher es mitgenommen hatte. Also wusch ich mir das Haar mit Seife und dann mit Conditioner aus einer kleinen grünen Flasche, die schon ewig im Regal verstaubte. Als ich alles ausgespült hatte, wusch ich mir die Haare noch einmal.
    Dann trocknete ich mich gründlich ab und stopfte das Handtuch zu meinem Nachthemd in den Müllbeutel, wickelte mich in ein anderes Handtuch und steckte es unter den Armen fest. Ich rieb mich mit meiner Lieblingsfeuchtigkeitscreme ein und verteilte die kalte Flüssigkeit mit kreisförmigen Bewegungen. Danach benutzte ich Mums Handcreme mit dem intensiven Vanilleduft. Ich putzte mir die Zähne, um den widerlichen Blutgeschmack loszuwerden, bürstete und bürstete, bis das Pfefferminzaroma so sehr brannte, dass ich es nicht mehr aushalten konnte.
    Als ich fertig war, rieb ich den Spiegel trocken und betrachtete mich wieder. Die Wilde war verschwunden, weggeschwemmt in einer Flut heißen Wassers, und ich war wieder ich selbst, mein Haar weich, das Gesicht so sauber geschrubbt, dass meine Wangen glühten. Mir kamen die Worte in den Sinn, die Lady Macbeth nach dem Mord an Duncan spricht.
    Ein wenig Wasser spült von uns die Tat.
    Aber sie hatte sich gründlich geirrt; das Wasser hatte das Blut von ihrem Körper gewaschen, aber es konnte nicht die Erinnerung aus ihren Gedanken vertreiben. Die Schuldgefühle wegen Duncans Tod hatten sie schließlich in den Wahnsinn getrieben …
    Würde es für Mum und mich auch so sein? Würden

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