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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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wir das, was wir getan hatten, mit ein wenig Wasser abspülen? Oder würde auch unser Verstand darunter leiden? Würden wir in ein normales Leben zurückkehren können, während der Einbrecher knapp einen Meter unter der Erde in unserem Vorgarten verweste? Könnten wir die Polizei belügen, wenn sie vor der Tür stand? Können Mäuse so lügen? Können Mäuse ihr Gewissen ersticken und friedlich schlafen, wenn sie von so vielen dunklen Geheimnissen umgeben sind?
    Und dann kam mir ein Gedanke. Vielleicht waren wir nach dem, was wir getan hatten, gar keine Mäuse mehr.
    Aber –
was waren wir dann
?

20
    Als ich aus dem Badezimmer kam, sah ich Mum mit zwei schwarzen Müllbeuteln im Gästezimmer verschwinden. Als sie herauskam, hielt ich den Beutel mit meinem Nachthemd und dem Handtuch in die Höhe. »Brauchst du den auch?«
    »Ja«, sagte sie. Ihre Stimme war nicht mehr als ein Flüstern. »Ich tue meins dazu.« Ihr Gesicht hatte alle Farbe verloren, und sie zuckte plötzlich vor Schmerz zusammen, doch bevor ich nachfragen konnte, war sie schon ins Bad geschlüpft und hatte abgeschlossen.
    Während ich mir in meinem Zimmer die Haare fönte, meinte ich sie würgen zu hören, doch als ich den Fön ausschaltete, war alles still.
    Ich zog eine verwaschene Jeans und eine weiße Bluse an und band mir ein rotes Tuch um den Hals, um die Druckstellen zu verbergen. Obwohl es ein warmer Tag werden würde, zog ich dicke Socken und Wanderstiefel an. Wenn ich in die Küche ging, wollte ich die sichere Gummisohle zwischen meinen Füßen und den Fliesen wissen.
    Mum war noch im Bad, doch die Dusche rauschte nicht mehr. Ich wollte gerade die Treppe hinuntergehen, als ich in einer Ecke des Gästezimmers die schwarzen Müllbeutel bemerkte. Mum hatte sie schützend um Wischmop und Eimer aufgestapelt wie Sandsäcke um eine Flak.
    Ich blieb stehen. Ihr Anblick erregte mich auf seltsame Weise.
In einem dieser Beutel steckte die Brieftasche des Einbrechers.
Und in der Brieftasche, da war ich mir sicher, fände sich irgendein Ausweis. Mit seinem Namen. Seiner Adresse. Seinem Geburtsdatum …
    Plötzlich überkam mich der unwiderstehliche Drang zu erfahren, wie der Einbrecher geheißen hatte. Den Namen des Mannes zu lesen, den ich getötet hatte.
    Ich horchte an der Badezimmertür. Mum würde durchdrehen, wenn sie mich beim Herumstöbern in den blutgetränkten Gegenständen ertappte. Ich hörte den Reißverschluss ihres Rocks. Sie war beim Anziehen. Es würde noch ein bisschen dauern. Leise stahl ich mich ins Gästezimmer.
    Ich suchte nach dem Beutel mit der Matte und dem zerbrochenen Geschirr, in den sie auch sein Handy und die Brieftasche gesteckt hatte. Ich kniete mich auf den Boden und tastete die Beutel nacheinander ab. Es war wie eine makabere Parodie auf die Weihnachtsfeste meiner Kindheit, wenn ich unter dem Weihnachtsbaum gesessen und meine Geschenke gedrückt und geschüttelt und geraten hatte, was drin sein mochte. Der Beutel mit unseren Bademänteln war leicht zu erkennen, ebenso der mit den Gummistiefeln. Ich glaubte schon, den richtigen gefunden zu haben, doch er enthielt nur die rote Sporttasche (ohne die Beute), das Schneidbrett aus Marmor, das Geschenkpapier von meinem Laptop und die einsame rote Schleife.
    In diesem Moment hörte ich, wie Mum hustete und an der Türklinke fummelte. Ich sprang auf und schoss aus dem Zimmer. Auf dem Treppenabsatz rief ich: »Mum, möchtest du etwas essen, bevor du fährst?«
    Schon beim Gedanken an Essen wurde mir übel. Mein Appetit schien für immer vergangen; ich konnte mir nicht vorstellen, jemals wieder etwas zu essen. Mum ging es vermutlich genauso.
    »Nein, Liebes«, erwiderte sie mit schwacher Stimme. »Nur Kaffee, bitte – ganz starken Kaffee.«
     
    Mum hatte schwer gearbeitet, während ich in der Dusche gewesen war. Alle Blutflecken waren verschwunden – von den Schränken, dem Kiefernholztisch, dem Brotkasten, der Waschmaschine, den Kacheln an der Spüle. Sie hatte die blutbefleckten Vorhänge abgenommen (und zweifellos in einen der schwarzen Müllbeutel gepackt), und die Küche war von goldenem Sonnenlicht durchflutet. Die Arbeitsplatten, die Spüle und das Abtropfbrett schimmerten im hellen Licht, und der Küchenboden, den sie noch einmal geschrubbt und trockengewischt hatte, strahlte förmlich.
    Mum hatte die Hintertür offen gelassen, damit der Boden schneller trocknete. Sie hatte außerdem die Terrasse abgespritzt, um unsere blutigen Fußabdrücke und die glänzend rote

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