Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
Vom Netzwerk:
darüber, ob wir ihn nun im Gemüsebeet oder dem ovalen Rosenbeet begraben sollten, als sprächen wir über eine neue Tapete für mein Schlafzimmer (schließlich entschieden wir uns für das ovale Rosenbeet, weil das Gemüsebeet zu weit vom Haus und zu nah an der Straße lag).
    Es war nicht leicht, den Körper des Einbrechers zu bewegen, er war in der Blutlache festgeklebt.
    Mum und ich zerrten die Leiche
(eine Leiche! Ein toter Mensch!)
durchs taunasse Gras, während die Vögel um uns herum hysterisch zwitscherten und der Tag, ein wunderbar warmer Frühlingstag, zu dämmern begann.
    Der Kopf des Einbrechers schlug auf die Betonstufen, die in den Vorgarten führten (ich zuckte bei jedem Aufprall zusammen und sagte mir dann: er kann nichts fühlen – er ist
tot
 –, und ich erkannte, dass der Tod noch immer zu ungeheuerlich war, um ihn zu erfassen, dass ich noch immer der Vorstellung anhing, er müsse etwas fühlen).
    Mum taumelte abrupt nach hinten, weil sie plötzlich nur noch seinen Turnschuh in der Hand hielt, und fiel auf den Hintern wie die Leute in den Pannenshows im Fernsehen.
    Wir wankten lachend im Garten umher, während die Leiche mit dem Gesicht nach unten im Gras lag, den rechten Arm nach vorn ausgestreckt wie ein Schwimmer.
    Mum und ich holten Spaten aus dem Schuppen – diesmal würden wir jedoch kein Gemüse pflanzen, sondern eine Leiche. Wir würden einen mageren, blassen Zwanzigjährigen in die kalkhaltige Erde unseres Vorgartens pflanzen.
    Als wir mit unserem Werkzeug zurückkamen, entdeckten wir eine große rötliche Katze, die wir noch nie gesehen hatten und auch seither nicht mehr gesehen haben. Sie leckte das Blut von den Fingerspitzen der Leiche (schlich zögernd davon, als wir uns näherten, und verschwand durch ein unglaublich kleines Loch in der Hecke).
    Als wir beim Graben aufblickten, bemerkten wir einen Bauern, der hoch oben auf einem lächerlich großen landwirtschaftlichen Gerät von Heath Robinson thronte, das lautstark den schmalen Weg entlangdonnerte. Er war nicht mehr als hundertfünfzig Meter von uns entfernt. Er warf einen raschen Blick zu uns herüber und grüßte mit erhobenem Arm, bis er außer Sichtweite war.
    Wir winkten verwirrt zurück, zwei Frauen in blutbefleckten Nachthemden, die morgens um halb sieben eine Leiche in ihrem Vorgarten vergruben.
     
    Das Beet bot gerade genügend Platz für die Leiche, ohne dass wir die Rosensträucher versetzen mussten. Die oberste Erdschicht war nass vom Regen, und die scharfen Spaten drangen mühelos hinein. Sie haftete allerdings in Klumpen an den Kanten, und wir mussten sie mit unseren Stiefeln wieder und wieder abkratzen. Je tiefer wir gruben, desto schwieriger wurde es jedoch. In einem halben Meter Tiefe wurde die Erde trocken und hart wie Stein.
    Ich begann zu schwitzen. Mir war schwindlig, und ich musste den dicken Bademantel ausziehen, bevor ich weitermachen konnte. Wir waren beide zu schwach und erschöpft vom Schlafmangel, um etwas gegen diese hartnäckige Erdschicht auszurichten. Während wir vergeblich mit den Spaten draufloshackten, wurde es immer heller. Ich kann mir furchtbar entblößt und angreifbar vor, obwohl niemand in der Nähe war – der Bauer war längst weg, der Weg verlassen, und die umgebenden Felder lagen still und leer wie auf einer Fotografie. Ich erinnerte mich an etwas, das mein Religionslehrer gerne gesagt hatte:
Das Auge Gottes sieht alles.
    Als wir fast einen Meter geschafft hatten, hörte Mum auf zu graben. Sie war rot im Gesicht und atmete schwer.
    »Es ist nicht tief genug, Mum. Tiere könnten ihn ausgraben.«
    »Es wird reichen, um ihn erst mal zu verstecken. Wir müssen das Haus sauber machen.«
    Wir zogen die Leiche an den Rand des schmalen Grabens und schoben sie mit Füßen und Spaten hinein, um nicht etwas Widerliches mit den Händen zu berühren. Zu meinem Entsetzen blieb er auf dem Rücken liegen, und ich schaute wieder in sein Wieselgesicht. Dasselbe Gesicht, und doch anders, der Tod hatte es subtil verändert.
    Die Augen waren halb geöffnet, der Blick glasig und unkoordiniert. Seine Augenbrauen waren tief in die Stirn gesunken und bildeten einen dunklen Balken wie bei einem Neandertaler. Mums Hieb musste ihm den Kiefer gebrochen haben, denn die untere Gesichtshälfte war zur Seite verschoben. Dadurch stand sein Mund offen, und die Zähne im Unterkiefer ragten leicht über die Oberlippe, ein wilder, tierischer Anblick, der an einen Boxer erinnerte. Sein linker Arm lag eng am Körper

Weitere Kostenlose Bücher