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Mucksmäuschentot

Mucksmäuschentot

Titel: Mucksmäuschentot Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gordon Reece
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über ihre Schulter, seinen bulligen Hals, die aufgeblähten Zwergenarme, den obszönen Bauch, die Hand, mit der er sich im Schritt kratzte, und dann antwortete ich, ohne zu zögern:
    »Bring ihn um.«

41
    Mum verließ das Haus. Sie ging auf den Erpresser zu, wobei sie entschlossen die Handtasche von der rechten über die linke Schulter hängte. Als sie etwa zwei Meter von ihm entfernt war, blieb sie stehen und schob die Hand in die Bauchtasche.
    Der fette Mann wollte gerade zur Fahrertür gehen, hielt aber inne, als er die Pistole sah, die auf seinen Kopf gerichtet war. Mum hielt sie mit beiden Händen umklammert und hatte das linke Auge zugekniffen, um besser zu zielen.
    Er riss die Hände hoch und drückte sich gegen den rechten Kotflügel, bog sich nach hinten über die Motorhaube, verzweifelt bemüht, vom Lauf der Waffe wegzukommen, so als könnten diese wenigen Zentimeter deren brutale Wirkung abmildern. Er krümmte sich, konnte nicht einmal zu der Waffe hinsehen, schaute verzweifelt nach links und rechts, als würde Mum beim geringsten Blickkontakt den Abzug betätigen.
    »Schon gut, Schätzchen«, sagte er wieder und wieder, »schon gut, Schätzchen, alles ist gut, Schätzchen, alles ist gut.«
    Ich wartete an der Haustür und hoffte, Mum würde endlich schießen. Sie schüttelte sich die Haare aus dem Gesicht und trat näher an ihn heran.
    Der fette Mann wollte etwas sagen, stammelte aber nur ängstlich vor sich hin, bis sein Gebrabbel in verwirrtem Schweigen endete. Ein dunkler Fleck breitete sich zwischen seinen Beinen und am rechten Oberschenkel aus.
    Ich hielt die Luft an. Wartete auf den Schuss.
Jetzt musste er kommen, jetzt, jetzt!
Doch noch immer drückte Mum nicht ab. Von meiner Position aus konnte ich sehen, wie sich die Waffe in ihren ausgestreckten Händen hin und her bewegte, ein toter Ast im Wind, doch ich begriff erst, was passierte, als ich den veränderten Gesichtsausdruck des Erpressers sah. Seine Augen zuckten immer noch umher, aber nicht, um der Waffe auszuweichen – er wollte nach ihr greifen.
    Da begriff ich, dass Mum der Mut verlassen hatte. Sie konnte nicht abdrücken.
    Ich rannte schreiend aus dem Haus:
»Tu es, Mum! Tu es! Tu es jetzt! Tu es!«
    Ich war genau neben ihr, schrie ihr ins Gesicht, meine Hand zerrte an ihrer Jacke. Der plötzliche, ohrenbetäubende Knall ließ mich zusammenfahren. Durch den Rückstoß taumelte Mum drei Schritte nach hinten und drehte sich um ihre eigene Achse. Die Pistole war plötzlich aufs Wohnzimmerfenster gerichtet.
    Ich starrte den Erpresser an, wartete auf den Klecks Erdbeermarmelade auf seiner Stirn, das langsame Brechen des Blicks, als die Seele entfloh, dass er zu einem leblosen Haufen zusammensank. Doch zu meinem Erstaunen wirkte er unversehrt. Er stand noch immer neben dem Auto, rückwärts über die Motorhaube gebeugt, die Arme erhoben, die dicken rosa Hände wie Seesterne gespreizt.
    Er begriff viel schneller als wir, dass Mum ihn verfehlt hatte, und mit einer Geschwindigkeit, die bei einem Mann wie ihm durchaus überraschend war, stieß er sich vom Wagen ab und rannte die Einfahrt hinunter.
    Mum erholte sich noch von dem heftigen Rückstoß und versuchte, das bleierne Gewicht der Waffe wieder auf ihn zu richten.
    »Erschieß ihn, Mum! Erschieß ihn!
Er haut ab!
«
    Wenn er es aus der Einfahrt auf die Straße schaffte, konnten wir ihm nicht mehr folgen; das Risiko war einfach zu groß. Wenn er es bis zur Straße schaffte, wenn er der von Bäumen abgeschirmten Privatsphäre von Honeysuckle Cottage entkam, wäre er in Sicherheit, und wir könnten nur noch auf seine furchtbare Rache warten.
    Mum richtete die Waffe auf ihn, und es gab eine weitere ohrenbetäubende Explosion. Eine weiße Wunde erschien hoch am Stamm einer Esche, die am Ende der Auffahrt wuchs. Sie hatte ihn wieder verfehlt.
    Der Erpresser war schon hinter der Biegung der Einfahrt, hatte beinahe die Straße erreicht. Sein gelbes T-Shirt war zwischen dem Laub zu sehen. Mum und ich rannten hinterher.
    Mit meinen Pantoffeln kam ich auf dem Kies nicht klar und musste sie im Laufen abstreifen. Die scharfen Steinchen bohrten sich in meine Fußsohlen, aber ich bezwang den Schmerz –
wir mussten ihn einholen, bevor er die Straße erreicht hatte!
Mum war hinter mir, sie krümmte sich vor Seitenstichen und schaute kaum, wohin sie lief. Ich schrie, sie solle sich beeilen, er werde entkommen. Mit schmerzverzerrtem Gesicht zwang sie sich, schneller zu laufen, und holte mich ein.
    Als wir

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