Muehsam ernaehrt sich das Eichhoernchen - Zum Glueck bin ich keins
ablesen und diese Sätze mit meiner »Personality« füllen muss. Die Texte sind für alle Casting-Teilnehmer die gleichen. Man unterscheidet sich eigentlich nur durch die Art, wie man etwas rüberbringt. Nun ist mein Problem, dass ich mir keine Texte merken kann. Und weil das so ist, habe ich mir das Textbuch erst gar nicht angeschaut. Wozu auch? Macht ja keinen Sinn, wenn ich mir eh nichts merken kann.
»Das kann ja was werden mit dem Elton«, denken sich meine neuen Kollegen beim ZDF jetzt sicher, ist aber nicht ganz so schlimm. Sie werden meine Art von Humor schon noch kennenlernen.
Tatsächlich habe ich mir dann doch das Showbuch durchgelesen, und weil ich nicht so gut im »Merken« bin, weiß ich umso besser, wie man sich Stichwörter macht. Ich würde fast sagen, dass ich mich für meine Verhältnisse sogar sehr intensiv mit dem Buch beschäftigt habe. Ich wollte wirklich gut vorbereitet sein. Dazu gehört auch, dass ich schon am Vorabend angereist bin, um am nächsten Tag fit und ausgeschlafen in die Probesendung gehen zu können. Ich hatte die Info, dass meine Rivalin, eine befreundete Kollegin, mit der mich das gemeinsame Management verbindet, auch schon in der Stadt sein sollte. Sie sollte zusammen mit Merit unterwegs sein. Merit ist lustigerweise unsere gemeinsame Managementkoordinatorin. Für unser Management war es also Dank des Castings ein ganz aussichtsreicher Tag. Zwei von fünf potentiellen Moderatoren hatten sie unter Vertrag. Das ist ein bisschen besser und erfolgversprechender, als Lotto spielen. An der Stelle fällt mir allerdings auf, dass man mich allein nach München hat reisen lassen. Wieso hat die befreundete Kollegin an diesem Tag eine Reisebegleitung bekommen und ich nicht? Werden da etwa Unterschiede gemacht? Werden wir nicht alle gleich behandelt? Glaubt mein Management, dass Frauen ihr Ziel ohne Reisebegleitung nicht erreichen? Was für ein Chauvinismus. Ist natürlich alles Blödsinn, ich bin einfach von woanders angereist, und in München war Merit dann für uns beide da. Das war zumindest der Plan. Zunächst. Jedenfalls habe ich dann bei Merit angerufen, weil ich mit ihr und der Kollegin an dem Abend etwas essen gehen wollte. Muss man doch ausnutzen, wenn man schon in der gleichen Stadt ist, die Chance sich bietet, dass das Management bezahlt, und man der Kontrahentin noch schnell was ins Essen mischen will. Ich rufe also Merit an, und da erfahre ich, dass die beiden erst am nächsten Tag anreisen würden. Toll, nun saß ich da. Das ZDF hatte uns nicht irgendein tolles Hotel in München gebucht. Nein, ich hing da in Ismaning in so einem Landgasthof fest. Ismaning ist voll außerhalb von München. Ich würde es mal als kleines TV-Industriegebiet bezeichnen, wo einfach gar nichts los ist am Abend. Da sitzen nur noch die Pförtner rum, und ansonsten sagen sich hier Eichhörnchen und Igel gute Nacht. Bevor ich aber auch früh schlafen gehe, denk ich mir halt: Besser alleine etwas essen gehen als gar keinen Spaß am Abend. Ich bin dann also ins Restaurant, setz mich hin, und hinter mir höre ich, kaum dass ich mich an den Tisch gesetzt habe, einen Typen rufen: »Ey Elton.« Na toll, das hat mir jetzt noch gefehlt. Allein in Ismaning und dann auch noch Proleten im Rücken, die mich nicht in Ruhe essen lassen wollen – oder schlimmer noch: hoffen, dass ich mich total freue, wenn sie sich auf ein Bier zu mir setzen. Der arme Elton so ganz allein. Aufstehen und gehen? Umdrehen und winken? Ich bin nervös an diesem Abend, kann nur an das Casting denken und habe keine Lust auf Fremde. Ich hab erst mal gar nicht drauf reagiert. Aber es ging weiter. »Elton, Elton, komm doch mal rüber.« Auch das noch. Das ist dreist. Rübergerufen werde ich ja ganz selten. Die Leute drängen sich auf. Das bin ich gewohnt, das ist okay und Teil meines Jobs, und ich habe wirklich meist Lust auf Kontakt. Aber nicht heute, und an den Tisch beordert werden schon mal gleich gar nicht. Ich hab mich nicht umgedreht, was dem Typen aber auch egal war. Er ist dann aufgestanden und hat mir auf die Schulter geklopft. Ich kochte vor Freude. Was mach ich jetzt? Ich schaute über die Schulter, und wer lächelt mich da an? Der Produktionsleiter von »1, 2 oder 3«, der gerade mit anderen netten Menschen vom ZDF beim Essen saß. Was ein Glück! Er bat mich, doch zu ihnen an den Tisch zu kommen. Ich habe die Einladung natürlich angenommen und mich zu ihnen an den Tisch gesetzt. Wer weiß, wofür es gut sein könnte. Es war
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