Mueller hoch Drei
Chance auf eine Familie. Und Sie müssen uns die Adresse beschaffen.«
Hochschmidt schien zum ersten Mal überrascht. »Was weißt du denn von Pauline?«
Er kannte also auch unsere Schwester! Und sie hieß tatsächlich Pauline? Ich machte wieder meine Fragezeichen-Pantomime. Nichts wusste ich von ihr.
»Paula gegenüber habe ich sie nicht erwähnt«, sagte Hochschmidt. »Dafür war mir die junge Dame zu aufgeregt. Außerdem wusste ich nicht, ob deine Eltern dich aufgeklärt haben.«
Nun, das hatten sie keineswegs getan! Ich berichtete davon, wie Tante Elke mir und Paula Nachhilfeunterricht in unserer Familiengeschichte gegeben hatte.
»Na dann«, sagte Hochschmidt. »Befragen wir mal den großen Geist.« Er bat mich nach nebenan in ein kleines, gut aufgeräumtes Arbeitszimmer. In den Regalen standen sauber beschriftete Aktenordner. An den Wänden hingen Poster von einheimischen Tieren, darunter auch eines, das wie ein erwachsener Piet Montag aussah. Die Hälfte des Schreibtischs nahm ein riesiger, altmodischer Monitor ein. Ich konnte nicht mehr an mich halten und sagte, dass ich mir Privatdetektive und ihre Behausungen bislang etwas anders vorgestellt hatte.
Hochschmidt schaltete den PC an. »Ich bin doch kein Privatdetektiv. Aber wenn du Interesse an einer verkorksten Lebensgeschichte hast – damit kann ich dienen.«
Nun, Zeit dafür hatte ich jedenfalls, so langsam wie der PC auf Touren kam.
»Ich bin von Beruf eigentlich Bauer«, sagte Hochschmidt. »Das heißt, ich bin auf einem Bauernhof geboren. Aber ich habe schon als Junge lieber mit den Tieren trainiert, als sie bloß zu füttern und den Stall auszumisten. Und ich sage dir, ich war gut darin! Unseren Kälbchen habe ich beigebracht, paarweise nebeneinander Achten zu laufen. Unsere Hühner konnten ihre Eier der Größe nach ordnen und unser Hofhund mit seiner Kette Seilchen springen.«
»Donnerwetter.« Etwas anderes fiel mir dazu nicht ein.
»Ja, ich bin ein Naturtalent. Ich verstehe die Tiere.« Dabei zeigte Hochschmidt auf Piet Montag, der gerade prüfend mit der Zunge über den freundlich gemusterten Teppich fuhr, wahrscheinlich um ihn gleich zu fressen. »Das da ist zum Beispiel ein junger, vollkommen unerzogener Hund mit egoistischen Neigungen. Aber ich sehe auch, dass er über ganz außergewöhnliche Anlagen verfügt. So einen wie den findest du nicht oft. Und jetzt pass mal auf!«
Damit ging er in die Knie und flüsterte Piet Montag einen längeren Text ins rechte Ohr. Der Hund setzte sich dabei auf seinen Hintern. Gelegentlich schien er zu nicken. Schließlich nahm ihm Hochschmidt Leine und Halsband ab und flüsterte ihm einen unwesentlich kürzeren Text ins linke Ohr. Piet Montag verschwand daraufhin aus dem Zimmer. Vom anderen Ende der Wohnung hörte ich Geräusche wie von Schrank- und Kühlschranktüren, woraufhin der Hund wieder erschien, im Maul einen kleinen Henkelkorb, in dem eine Dose Hundefutter, ein kleiner Napf und ein Öffner lagen. Den Korb setzte er vor Hochschmidt auf den Boden, anschließend nahm er eine demütige Haltung ein.
Hochschmidt öffnete die Dose, füllte das Hundefutter in den Napf und stellte diesen vor Piet Montag auf den Boden. Der aber stürzte sich nicht, wie ich erwartet hatte, gierig auf das Fressen, sondern sah nur zu Hochschmidt auf, wobei ihm rechts und links zwei dicke Speichelfäden aus dem Maul fielen.
In der Zwischenzeit hatte sich der Computer endlich hochgefahren. »Mit zwanzig«, sagte Hochschmidt, »bin ich nach Amerika ausgewandert. Ich habe mich Bronco Highsmith genannt und in Los Angeles eine Agentur für Tierdressuren aufgemacht. Die Geschäfte liefen glänzend. Bald gab es keinen Hollywoodfilm mehr, in dem nicht mindestens ein von mir persönlich dressiertes Tier auftrat. Ich habe den Eichhörnchen beigebracht, Passanten im Park die Nüsse aus der Tasche zu stehlen. Ich habe schwarze Katzen darauf trainiert, vor hysterischen blonden Schauspielerinnen besonders bedrohlich auf alte Schränke zu springen. Und ich habe zweitausend Ratten darin ausgebildet, durch Abwässerkanäle zu rennen und dabei so zu tun, als wollten sie alles fressen, was sich ihnen in den Weg stellt.«
Der PC machte einen Ton, wie ich ihn noch nie von einem PC gehört hatte. Eine Art leises Stöhnen. »Aber dann«, sagte Hochschmidt, »kam die verfluchte Digitalisierung. Heute brauchen sie beim Film keine trainierten Tiere mehr. Jemand malt oder zeichnet die, und dann werden sie so in den Film kopiert, dass
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