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Mueller hoch Drei

Mueller hoch Drei

Titel: Mueller hoch Drei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Burkhard Spinnen
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Schönewind mit Kapitänsmütze am Hafen, im Kreise seiner Mitarbeiterinnen vom Tourismusverein, Frau Schönewind mit ihrem Schulkollegium.
    »Schade.« Hochschmidt schien weiter zu suchen. »Von der Kleinen gibt’s wohl noch kein Foto im Netz.«
    Na, da war ich aber froh. Blieb ja wenigstens noch eine Winzigkeit als Familienüberraschung. Immerhin sahen die Schönewinds genau so aus, wie man sich die Retter aus einem Patchwork-Familienschlamassel wünschte: biedere, rechtschaffene Leute, die sich nicht aus der Verantwortung stehlen. Ich sagte etwas Ähnliches und drückte Hochschmidt ziemlich ergriffen die Hand. Es hätte nicht viel gefehlt und ich hätte sie geküsst.
    »Und da wollt ihr jetzt hin? An die Ostsee?«
    »Klar.« Bloß raus aus diesem Viertel. Paula hatte gesagt, Dasgupta habe mehr Freunde in der Inder-Connection als ein Hund Flöhe.
    Apropos Hund! Der saß noch immer an seinem Platz. Allerdings sabberte er nicht mehr, wahrscheinlich war ihm die Spucke ausgegangen.
    Hochschmidt war meinem Blick gefolgt. »Ich hoffe, du denkst wegen dieser kleinen Konzentrationsübung nicht schlecht über mich. Wir Tiertrainer haben bei empfindsamen Leuten keinen guten Ruf. Aber ich dachte mir, du brauchst jetzt einen, der sich ein bisschen um dich kümmert. Statt dir dauernd auf den Geist zu gehen.« Er gab Piet Montag ein winziges Zeichen, worauf der Hund endlich, wenngleich für seine Verhältnisse geradezu gemessen und würdevoll, sein Futter verzehrte.
    »Ab sofort«, sagte Hochschmidt sehr ernst, »ist er ein anderer Hund.«
    »Und was muss ich tun?« Ich erwartete einen Grundkurs in richtiger Hundeführung.
    »Nichts. Es ist viel leichter für einen Hund, einen Menschen zu verstehen, als umgekehrt. Ich glaube, er weiß ganz genau, was er für dich tun kann. Wart’s nur ab, hab Vertrauen, dann ergibt sich alles wie von selbst.«
    Ich bedankte mich noch einmal.
    »Macht euch jetzt auf den Weg. Und vergiss nicht, die Kleine von mir zu grüßen.« Hochschmidt begleitete mich in den Flur, Piet Montag ging dabei zu meiner Verwunderung leinenlos neben mir her.
    »Die Adresse der Schönewinds!« Hochschmidt hatte schon die Klinke in der Hand. »Warte, ich schreibe sie dir auf.«
    »Nicht nötig.« Ich tippte mir an die Stirn. »Was man nicht aufgeschrieben hat, kann man auch nicht verlieren.« Hochschmidt lachte und schob mich ins Treppenhaus, worauf die drei anderen Türen sich ruckartig schlossen und dabei, wie am Gejammer erkennbar, mindestens drei Nasen einklemmten.
    Auf der Straße konnte ich niemanden entdecken, der mir verdächtig vorkam. Trotzdem machte ich sicherheitshalber einen großen Umweg. Als ich schon glaubte, ich hätte mich verlaufen, übernahm Piet Montag die Führung, und kurz darauf drückten wir uns durch das Gittertor. Der alte Friedhof dahinter lag unter großen Bäumen und zwischen hohen Häusern. Soweit ich das feststellen konnte, war mir tatsächlich niemand gefolgt. Musste ich also nur noch das Grab von Bolle finden. Irgendwo hatte ich von diesem Bolle sogar schon einmal gehört. Wenn ich mich recht erinnerte, war es in einem Lied, wo es hieß, er habe sich trotz allem ganz köstlich amüsiert. Musste ich also nach einem Grab suchen, auf dem ein komischer Clown aus Marmor tanzte?
    Glücklicherweise gab es eine Tafel, auf der stand, welche berühmten Leute wo genau begraben lagen. Dort fand sich auch Bolle, und wenn der sich in seinem Leben besonders amüsiert haben sollte, dann darüber, dass er der Besitzer eines großen Milchgeschäfts gewesen war. Sein Grab lag weiter hinten links, und ich machte mich auf den Weg, Piet Montag an meiner Seite wie ein mehrbeiniger beschweifter Schatten.
    Als wir das Grab erreichten, dämmerte es über Berlin. Ich bemühte mich, leise zu sein. Man konnte ja nie wissen. Und weil ich so leise war, sah ich Paula, bevor sie mich hörte. Bolles Grab war ein mittelgroßer griechischer Tempel aus milchweißem Marmor mit einem kleinen Innenhof in der Mitte. Dort saß Paula auf einer Bank und passte, zu meiner Bestürzung, ganz gut ins Friedhofsbild, denn sie sah traurig aus. Ihre Füße hatte sie auf die Bank gezogen und die Beine mit den Armen umschlungen. Ihr Kopf lag auf den Knien. Den Rucksack trug sie noch immer auf dem Rücken, und die Lateindompteuse sah daraus hervor. Allerdings schien es mir, als würde die kleine Plastikfrau jetzt voller Mitleid auf ihre Herrin herabsehen.
    Der Anblick war mir peinlich. Ich hatte mich mittlerweile an eine Schwester

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