Mueller hoch Drei
dort den Rest der Nacht. Paula auf der Bank, die ein Boot war, Piet Montag und ich in dem Boot, das eine Bank war.
Der kranke Hund
D er fünfte Tag meines Abenteuers drohte der schlimmste von allen zu werden. Gestern waren wir immerhin noch mit zehntausend Euro in der Tasche in einem Sternehotel wachgeworden. Doch jetzt waren wir pleite, und es weckte uns ein Bahnhofsangestellter mit der Ankündigung, wenn wir und unser Köter nicht schnellstens Leine zögen, würde er uns behandeln wie den anderen Dreck, den die blöden Touristen ihm dauernd in seinen schönen Bahnhof kippten.
Piet Montag und ich tauschten Blicke darüber, ob es mal wieder Zeit für einen seiner kleinen Spezialauftritte sei, aber wir kamen zu dem Ergebnis, dass wir uns nicht verausgaben sollten. Einen so miserablen Tag wie diesen hieß es vorsichtig beginnen. Nach kurzer Morgenwäsche im Bahnhofsklo lungerten wir daher mal hier und mal dort im schönen Marseby herum.
Natürlich diskutierten wir darüber, wie es jetzt mit uns weitergehen sollte. Doch es fiel uns nichts Rechtes ein. Paula hatte bloß Hunger. Am Ende kramte ich sogar meinen alten Vorschlag wieder aus, gegen Spenden Blockflöte zu spielen beziehungsweise nicht zu spielen. Paula lehnte das ab, doch es brachte sie auf eine Idee. »Soll der Hund es richten«, sagte sie. Offenbar wollte sie Piet Montag eine zweite Chance geben.
In Marseby hatte mittlerweile das touristische Leben begonnen. Paula ging voraus zur Uferpromenade, und aus dem Hinterhof eines Souvenirgeschäftes organisierte sie einen wackligen Stuhl. Den stellte sie vor die kleine Mauer, hinter der die Schlei begann. »Einverstanden?«, sagte sie zum Hund, und der sprang als Antwort auf den Stuhl, wo er sich wieder in eine schwarze Porzellanfigur verwandelte.
»Was wird das?«, wollte ich wissen.
»Keine Ahnung. Wart’s einfach ab.« Paula postierte sich neben dem Hund wie ein Leibwächter neben einem Prominenten. Die Lateindompteuse klemmte sie auf die Stuhllehne, von wo sie alles mit ihrem Klassenarbeitsblick überwachte. Ich schaute kopfschüttelnd zu.
Lange dauerte es nicht, da blieben die ersten Passanten stehen, ein Paar im mittleren Alter. »Führt ihr etwas vor?«, sagte der Mann, ein blasser Kahlkopf mit Brille. »Oder übt ihr Stillhalten fürs Guinness-Buch der Rekorde?«
»Keins von beiden. Wir sind eine offizielle Touristenattraktion.« Mit einer pompösen Geste deutete Paula auf Piet Montag. »Wir präsentieren den großen Harrasani, den wahrscheinlich intelligentesten Hund der Welt.«
»Das ist interessant«, sagte der Mann. »Was kann er denn für Tricks?«
Jetzt wurde es brenzlig. Paula stammelte ein wenig. »Äh, das wissen wir nicht. Oder mit anderen Worten: praktisch alle. Sie können frei wählen. Nur fünf Euro pro Trick.«
Der Mann kniff die Augen zusammen. »Ich bezahle doch nicht die wahrhaft gesalzenen Preise von Marseby, um dann hier an der Uferpromenade auf dermaßen unintelligent bettelnde Kinder zu treffen. Der Tourismusverein sollte mal etwas strenger bei der Auswahl seiner Abzocker sein.« Über diesen selbst gebastelten Witz musste der Kahlkopf dann auch sehr lachen. Seine Frau wollte ihn weiterziehen, vielleicht weil ihr seine Lache peinlich war.
»Moment!«, rief ich schnell. »Wenn Sie wollen, können wir auch anders. Halten Sie dem Hund zwei Geldscheine hin. Er nimmt immer den größeren.«
Der Kahlkopf wieherte. »Ziemlich bescheidener Trick! So was kann man doch dem dümmsten Hund beibringen.«
»Ich bin noch nicht fertig. Sie halten die Scheine natürlich in der verschlossenen Hand. Der Hund riecht den größeren Schein.«
Der Kahlkopf zog die Augen zu Schlitzen zusammen. »Und wenn er sich irrt? Was dann?«
Ich überlegte. Ja, was dann? Doch da schnippte Paula mit den Fingern. »Dann bekommen Sie von uns den gleichen Betrag obendrauf! Wenn er recht hat, gehört der Schein allerdings uns.«
»Spinnst du?«, sagte ich durch die Zähne. »Wir sind pleite!« Die Dompteuse hatte die Hände vors Gesicht geschlagen.
Aber Paula winkte nur ab. Der Kahlkopf hatte auch tatsächlich schon sein Portemonnaie gezückt, und mit dem Rücken zu uns gewandt fummelte er daran herum, obwohl ihn seine Frau davon abhalten wollte. Wir hörten noch etwas wie »größenwahnsinnige Blagen«, dann drehte er sich um und streckte uns, beziehungsweise Piet Montag, seine beiden krampfhaft zu Fäusten geballten Hände hin.
»Achtung!« Paula rief es so laut, dass ein paar Passanten stehen
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