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Mueller und die Schweinerei

Mueller und die Schweinerei

Titel: Mueller und die Schweinerei Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Raphael Zehnder
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Novalis-mässig »nach innen führt der geheimnisvolle Weg«. Aber dem Müller sein Job ist: Geheimnisse aufklären und immer auch etwas ökonomisch denken, weil was bringt es, wenn du zwölf Manntage auf das Ermitteln eines verlorenen gestrickten Hundes verlochst, wo nur 2.35 kostete? Du machst zwar ein Baby glücklich, das den Strickhund schon lange vergessen hat, aber der Chef wird fuchsteufelswild.
    Also das Metaphysische.
    Gut.
    Der Müller noch nicht schlüssig, ob diese Befragung überhaupt sinnvoll, wenn das Gegenüber anscheinend völlig neben der Spur steht. Deshalb etwas milder:
    »Und wie haben Sie davon erfahren, dass dieser Gegenstand sich im Schweinestall in Oberlunkhofen befindet?«
    Da schweigt der Musikjournalist Michael Hauser von der Bertastrasse eine geschlagene Minute. Er hat die Augen geschlossen und die Riesenpupillen unter geröteten Augenlidern verborgen wie das Krokodil seine Zunge im Mund. Eine Minute lang. Aber der Müller weiss: Jetzt schweige ich auch, der ist reif.
    Und Hauser, schliesslich und leise: »Eingebung. Ich habe ein Bild vor mir gesehen. Es war in Oberlunkhofen, und der Hof, wo Sie mich verhaftet haben.«
    »Festgenommen!«, berichtigt Bucher Manfred. Weiermann hustet seine Bronchitis raus und schlurft einmal um den Tisch, an dem der Müller und Hauser sitzen.
    »Festgenommen«, sagt der Müller auch.
    »Festgenommen«, sagt RA Dr.   Burkhalter, der aufgewacht ist.
    »Festgenommen«, sagt Hauser.
    Der Müller: »Dieser kleine Gegenstand … eine Giftampulle?«
    Der RA reibt sich die Augen. Doch Hauser weiss nichts von einer Giftampulle, sagt er.
    »Wann und wie ist Ihnen dieses Bild von dem kleinen Gegenstand, der Sie magnetisch anzog, erschienen?«, will der Müller wissen.
    »Von Magnetismus hat niemand gesprochen«, prescht RA Dr.   Burkhalter hinein. Will zeigen, dass wach und alert.
    Der Müller, Bucher Manfred und Weiermann nicken. Aber Hauser reagiert nicht auf den RA , schweigt, sammelt Kraft, konzentriert sich, will sich konzentrieren.
    »Ich weiss selber, dass es beknackt klingt. Ich war vorher nie so ein Eso-Typ«, sagt er, »das ist mir einfach so passiert.«
    »Jetzt ist’s genug«, sagt RA Dr.   Burkhalter, »Sie sehen doch, dass mein Mandant völlig erschöpft ist.«
    »Gleich«, sagt der Müller. Und zu Hauser: »Sagen Sie mal, warum glauben Sie so was? Was ist denn mit Ihnen los?«
    Da öffnen sich Hausers Tränendrüsen. Ein Mundwinkel zuckt. Der Adamsapfel klettert hoch und gluckst gleich wieder runter.
    »Es ist schwer im Moment«, sagt er fast unhörbar. Und Salzwasser rinnt über seine Wangen, kleine Wasserfälle, glitzernde Spuren auf trockener Haut.
    Er weint leise. Der Müller steckt ihm eine Zigarette zu und ein Feuer und einen Becher Mineralwasser. Legt ihm kurz die Hand auf die Schulter. Denkt: Hauser, Hauser … komm wieder in die Spur.
    »Drei Uhr zwanzig«, sagt der Müller zum Mikrofon, das alles mitgeschnitten hat. Und: »Machen wir Pause«, räumt er ein. Geht zur Kaffeemaschine und dann rattert es, der frisch geröstete Kaffeeduft aus der Aluminiumpatrone verbreitet sich im Raum 419, und er bewirtet auch den Hauser mit einem Becher. Im richtigen Moment einen Becher Kaffee, das kann Wunder wirken.
    Und wenn man beim Verhör, oder sagen wir besser modern »Befragung«, weil das ist nicht so offensiv vorwurfsvoll, wenn man also bei der Befragung eine Pause macht, kann es schon vorkommen, dass die Gedanken im Zimmer und auch im Leben herumschweifen. Dann denkt man an dies und das, auch an unangenehme oder sogar illegale Sachen, und manchmal kommt einem wirklich etwas in den Sinn. Hauser zwar nicht, weil er zu erschöpft ist. Ich meine, er hatte vor drei Tagen in der Bar mit Blacky vom »Thunderstorm MC « ein metaphysisches Erlebnis, wo er sich nachher plötzlich als Medium fühlt und gestern Abend eine Eingebung, Gegenstand in Schweinestall fotografieren und vielleicht holen. Da werbe ich wirklich um Verständnis für ihn: Das schüttelt dich einfach durch, wenn du plötzlich entdeckst: Hey, ich bin ja ein Medium mit Kontakten und Botschaften von da drüben. Da kannst du nicht anders, so ein starker Kerl du auch sein magst. Ich meine, der Kontakt mit dem Metaphysischen hat bereits schon manch einen aus der Bahn geworfen, dass ihm alles aus dem Ruder lief. Die tragen dann oft so helle Kleider, Föhnfrisuren, Brillen in Solarpaneelgrösse, enorme farbige oder goldige Broschen, nehmen einen neuen Namen an wie zum Beispiel Ecurio oder Iruella

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